tragen, und sagte, ich möchte mich nur nach Ober- saulheim begeben und mein Amt daselbst so verrichten, wie ich es zu verantworten, mir getrauete.
In diesem Vikariate hab ich viel Vergnügen genossen. Der Pfarrer Köster, ein alter Mann von beinahe achtzig Jahren, und dessen Frau, die nicht viel jünger war, machten mir nebst ihrem Sohn, der Apotheker in demselben Dorfe war, mein Leben angenehm und vergnügt. Dieser junge Mann hatte zwar keine Medicin studirt, d. h. war nicht auf Uni- versitäten gewesen, hatte da für schweres Geld keine Collegia gehört, hatte sich endlich auch keine mit Griechisch verhrämte, und mit hundert und neun und neunzig Citaten versehene, Dissertation von ei- nem expediten allzeit fertigen Dissertationsfabrikanten für bares Geld zusammenschmieren lassen, (derglei- chen Dinge einem solchen um so leichter werden, wenn er die absurdesten Sätze hinsudeln, und die lateinische Sprache mit neuen barbarischen Wörtern und Phra- sen bereichern kann z. B. praetervidere übersehen) hatte auch keine stumme Person auf dem Katheder agirt, war auch endlich nicht auctoritate impera- toria et regia zum Doktor geschaffen worden -- das alles hatte Herr Köster nicht gethan. Aber en revanche besaß er eine tiefe Kenntniß der Physio- logie, der Therapie, Pathologie und Semiotik, hatte ein hell sehendes Auge, that die glücklichsten Kuren,
tragen, und ſagte, ich moͤchte mich nur nach Ober- ſaulheim begeben und mein Amt daſelbſt ſo verrichten, wie ich es zu verantworten, mir getrauete.
In dieſem Vikariate hab ich viel Vergnuͤgen genoſſen. Der Pfarrer Koͤſter, ein alter Mann von beinahe achtzig Jahren, und deſſen Frau, die nicht viel juͤnger war, machten mir nebſt ihrem Sohn, der Apotheker in demſelben Dorfe war, mein Leben angenehm und vergnuͤgt. Dieſer junge Mann hatte zwar keine Medicin ſtudirt, d. h. war nicht auf Uni- verſitaͤten geweſen, hatte da fuͤr ſchweres Geld keine Collegia gehoͤrt, hatte ſich endlich auch keine mit Griechiſch verhraͤmte, und mit hundert und neun und neunzig Citaten verſehene, Diſſertation von ei- nem expediten allzeit fertigen Diſſertationsfabrikanten fuͤr bares Geld zuſammenſchmieren laſſen, (derglei- chen Dinge einem ſolchen um ſo leichter werden, wenn er die abſurdeſten Saͤtze hinſudeln, und die lateiniſche Sprache mit neuen barbariſchen Woͤrtern und Phra- ſen bereichern kann z. B. praetervidere uͤberſehen) hatte auch keine ſtumme Perſon auf dem Katheder agirt, war auch endlich nicht auctoritate impera- toria et regia zum Doktor geſchaffen worden — das alles hatte Herr Koͤſter nicht gethan. Aber en revanche beſaß er eine tiefe Kenntniß der Phyſio- logie, der Therapie, Pathologie und Semiotik, hatte ein hell ſehendes Auge, that die gluͤcklichſten Kuren,
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tragen, und ſagte, ich moͤchte mich nur nach Ober-
ſaulheim begeben und mein Amt daſelbſt ſo verrichten,
wie ich es zu verantworten, mir getrauete.
In dieſem Vikariate hab ich viel Vergnuͤgen
genoſſen. Der Pfarrer Koͤſter, ein alter Mann
von beinahe achtzig Jahren, und deſſen Frau, die
nicht viel juͤnger war, machten mir nebſt ihrem Sohn,
der Apotheker in demſelben Dorfe war, mein Leben
angenehm und vergnuͤgt. Dieſer junge Mann hatte
zwar keine Medicin ſtudirt, d. h. war nicht auf Uni-
verſitaͤten geweſen, hatte da fuͤr ſchweres Geld keine
Collegia gehoͤrt, hatte ſich endlich auch keine mit
Griechiſch verhraͤmte, und mit hundert und neun
und neunzig Citaten verſehene, Diſſertation von ei-
nem expediten allzeit fertigen Diſſertationsfabrikanten
fuͤr bares Geld zuſammenſchmieren laſſen, (derglei-
chen Dinge einem ſolchen um ſo leichter werden, wenn
er die abſurdeſten Saͤtze hinſudeln, und die lateiniſche
Sprache mit neuen barbariſchen Woͤrtern und Phra-
ſen bereichern kann z. B. praetervidere uͤberſehen)
hatte auch keine ſtumme Perſon auf dem Katheder
agirt, war auch endlich nicht auctoritate impera-
toria et regia zum Doktor geſchaffen worden —
das alles hatte Herr Koͤſter nicht gethan. Aber en
revanche beſaß er eine tiefe Kenntniß der Phyſio-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/381>, abgerufen am 24.11.2024.
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