einen Studenten mit ihm selbst bekannt, und fand einen jungen raschen Mann an ihm von unbeschreib- lichem Dünkel, der über die größten Männer so rai- sonnirte, als wenn sie kaum seine Schüler seyn könnten. So redete er mit Verachtung von Leß, Müller und Walch, -- fand an Döderlein, Sem- ler, Ernesti, und vielen andern Matadoren der deutschen Litteratur viel auszusetzen, -- allegirte fleißig seinen Hiob und seine übrigen kleinen Schrift- chen, und machte durch Fällung seiner Urtheile, daß ich anfing, stark an seiner Gelehrsamkeit zu zweifeln. Meine Vermuthungen bestätigten auch mehrere An- dere durch Erfahrung. -- Ich hörte damals in Er- langen, daß Doktor Seiler Herrn Hufnagel gern seine Tochter habe anhängen wollen; dieser habe aber die Ehre ausgeschlagen, und daher komme es, daß Seiler den Hufnagel hasse, und dieser an jenem durch bittern Spott und Raisonnirerei in allen Ge- sellschaften sich zu rächen suche. Doktor Seiler hatte wenig Freunde, und dies nicht sowohl wegen seiner Orthodoxie, als vielmehr wegen mancher Fraubase- reien, wozu er die Hände geboten hatte.
Aber an Herrn Meusel hab ich einen rechten Mann getroffen. Dies ist ein Mann, dessen heller Kopf, gesunde und freimüthige Urtheile, dessen aus- gebreitete Gelehrsamkeit und edles Herz jeder, der sich ihm nähert, bewundern muß. Ich bin drei
einen Studenten mit ihm ſelbſt bekannt, und fand einen jungen raſchen Mann an ihm von unbeſchreib- lichem Duͤnkel, der uͤber die groͤßten Maͤnner ſo rai- ſonnirte, als wenn ſie kaum ſeine Schuͤler ſeyn koͤnnten. So redete er mit Verachtung von Leß, Muͤller und Walch, — fand an Doͤderlein, Sem- ler, Erneſti, und vielen andern Matadoren der deutſchen Litteratur viel auszuſetzen, — allegirte fleißig ſeinen Hiob und ſeine uͤbrigen kleinen Schrift- chen, und machte durch Faͤllung ſeiner Urtheile, daß ich anfing, ſtark an ſeiner Gelehrſamkeit zu zweifeln. Meine Vermuthungen beſtaͤtigten auch mehrere An- dere durch Erfahrung. — Ich hoͤrte damals in Er- langen, daß Doktor Seiler Herrn Hufnagel gern ſeine Tochter habe anhaͤngen wollen; dieſer habe aber die Ehre ausgeſchlagen, und daher komme es, daß Seiler den Hufnagel haſſe, und dieſer an jenem durch bittern Spott und Raiſonnirerei in allen Ge- ſellſchaften ſich zu raͤchen ſuche. Doktor Seiler hatte wenig Freunde, und dies nicht ſowohl wegen ſeiner Orthodoxie, als vielmehr wegen mancher Fraubaſe- reien, wozu er die Haͤnde geboten hatte.
Aber an Herrn Meuſel hab ich einen rechten Mann getroffen. Dies iſt ein Mann, deſſen heller Kopf, geſunde und freimuͤthige Urtheile, deſſen aus- gebreitete Gelehrſamkeit und edles Herz jeder, der ſich ihm naͤhert, bewundern muß. Ich bin drei
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einen Studenten mit ihm ſelbſt bekannt, und fand
einen jungen raſchen Mann an ihm von unbeſchreib-
lichem Duͤnkel, der uͤber die groͤßten Maͤnner ſo rai-
ſonnirte, als wenn ſie kaum ſeine Schuͤler ſeyn
koͤnnten. So redete er mit Verachtung von Leß,
Muͤller und Walch, — fand an Doͤderlein, Sem-
ler, Erneſti, und vielen andern Matadoren der
deutſchen Litteratur viel auszuſetzen, — allegirte
fleißig ſeinen Hiob und ſeine uͤbrigen kleinen Schrift-
chen, und machte durch Faͤllung ſeiner Urtheile, daß
ich anfing, ſtark an ſeiner Gelehrſamkeit zu zweifeln.
Meine Vermuthungen beſtaͤtigten auch mehrere An-
dere durch Erfahrung. — Ich hoͤrte damals in Er-
langen, daß Doktor Seiler Herrn Hufnagel gern
ſeine Tochter habe anhaͤngen wollen; dieſer habe aber
die Ehre ausgeſchlagen, und daher komme es, daß
Seiler den Hufnagel haſſe, und dieſer an jenem
durch bittern Spott und Raiſonnirerei in allen Ge-
ſellſchaften ſich zu raͤchen ſuche. Doktor Seiler hatte
wenig Freunde, und dies nicht ſowohl wegen ſeiner
Orthodoxie, als vielmehr wegen mancher Fraubaſe-
reien, wozu er die Haͤnde geboten hatte.
Aber an Herrn Meuſel hab ich einen rechten
Mann getroffen. Dies iſt ein Mann, deſſen heller
Kopf, geſunde und freimuͤthige Urtheile, deſſen aus-
gebreitete Gelehrſamkeit und edles Herz jeder, der
ſich ihm naͤhert, bewundern muß. Ich bin drei
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/374>, abgerufen am 25.11.2024.
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