gen! -- dies war für mich nicht möglich, meine Lebensart war andere Natur, und ich ließ mich bis zu den gemeinsten Geschöpfen herab.
Der Wirth im Bock zu Wonsheim hatte eine Magd, mit welcher ich bei der Gelegenheit in Be- kanntschaft gerathen war, weil ich, wenn ich zu Schönburg nach Neubamberg gehen wollte, Wons- heim passiren mußte. Diese Bekanntschaft stieg bis zur Vertraulichkeit, und ward der Gegenstand der müßigen Schwätzerzungen, welche, ausser vielem andern närrischen Zeuge, auch das von mir aus- sprengten, daß das Mädchen von mir schwanger sey. Ich bekümmerte mich um das Gerücht der skandalösen Chronik nicht; denn es war falsch.
Schon seit einigen Jahren war ich auch mit einem gewissen Baron von F. aus M. bekannt. Die- ser Edelmann war zwar katholisch der Profession nach, aber seiner Praxis zu folge, war er ein Freigeist; zwar mehr aus Leichtsinn und Spottsucht, wie viele dergleichen Helden, denn auch der Unglaube hat seine blinden Anbeter, als aus Grundsätzen. Dieser F. war ein eingemachter Wollüstling, der ganze Tage bei Wein und in Gesellschaft feiler Menscher, nach denen er ohne alle Delikatesse jagte, zubrachte. Zo- tenreissen und fluchen waren seine schönen Künste: und seine einzige Wissenschaft, da er von allen übri- gen Kenntnissen entblößt war, bestand darin, daß er
gen! — dies war fuͤr mich nicht moͤglich, meine Lebensart war andere Natur, und ich ließ mich bis zu den gemeinſten Geſchoͤpfen herab.
Der Wirth im Bock zu Wonsheim hatte eine Magd, mit welcher ich bei der Gelegenheit in Be- kanntſchaft gerathen war, weil ich, wenn ich zu Schoͤnburg nach Neubamberg gehen wollte, Wons- heim paſſiren mußte. Dieſe Bekanntſchaft ſtieg bis zur Vertraulichkeit, und ward der Gegenſtand der muͤßigen Schwaͤtzerzungen, welche, auſſer vielem andern naͤrriſchen Zeuge, auch das von mir aus- ſprengten, daß das Maͤdchen von mir ſchwanger ſey. Ich bekuͤmmerte mich um das Geruͤcht der ſkandaloͤſen Chronik nicht; denn es war falſch.
Schon ſeit einigen Jahren war ich auch mit einem gewiſſen Baron von F. aus M. bekannt. Die- ſer Edelmann war zwar katholiſch der Profeſſion nach, aber ſeiner Praxis zu folge, war er ein Freigeiſt; zwar mehr aus Leichtſinn und Spottſucht, wie viele dergleichen Helden, denn auch der Unglaube hat ſeine blinden Anbeter, als aus Grundſaͤtzen. Dieſer F. war ein eingemachter Wolluͤſtling, der ganze Tage bei Wein und in Geſellſchaft feiler Menſcher, nach denen er ohne alle Delikateſſe jagte, zubrachte. Zo- tenreiſſen und fluchen waren ſeine ſchoͤnen Kuͤnſte: und ſeine einzige Wiſſenſchaft, da er von allen uͤbri- gen Kenntniſſen entbloͤßt war, beſtand darin, daß er
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gen! — dies war fuͤr mich nicht moͤglich, meine
Lebensart war andere Natur, und ich ließ mich bis
zu den gemeinſten Geſchoͤpfen herab.
Der Wirth im Bock zu Wonsheim hatte eine
Magd, mit welcher ich bei der Gelegenheit in Be-
kanntſchaft gerathen war, weil ich, wenn ich zu
Schoͤnburg nach Neubamberg gehen wollte, Wons-
heim paſſiren mußte. Dieſe Bekanntſchaft ſtieg bis
zur Vertraulichkeit, und ward der Gegenſtand der
muͤßigen Schwaͤtzerzungen, welche, auſſer vielem
andern naͤrriſchen Zeuge, auch das von mir aus-
ſprengten, daß das Maͤdchen von mir ſchwanger
ſey. Ich bekuͤmmerte mich um das Geruͤcht der
ſkandaloͤſen Chronik nicht; denn es war falſch.
Schon ſeit einigen Jahren war ich auch mit
einem gewiſſen Baron von F. aus M. bekannt. Die-
ſer Edelmann war zwar katholiſch der Profeſſion
nach, aber ſeiner Praxis zu folge, war er ein Freigeiſt;
zwar mehr aus Leichtſinn und Spottſucht, wie viele
dergleichen Helden, denn auch der Unglaube hat ſeine
blinden Anbeter, als aus Grundſaͤtzen. Dieſer F.
war ein eingemachter Wolluͤſtling, der ganze Tage
bei Wein und in Geſellſchaft feiler Menſcher, nach
denen er ohne alle Delikateſſe jagte, zubrachte. Zo-
tenreiſſen und fluchen waren ſeine ſchoͤnen Kuͤnſte:
und ſeine einzige Wiſſenſchaft, da er von allen uͤbri-
gen Kenntniſſen entbloͤßt war, beſtand darin, daß er
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/358>, abgerufen am 23.11.2024.
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