ausser mir noch sechs Kandidaten, deren einige ich noch von Gießen aus kannte: und da stärkte sich mein Muth gewaltig, weil mir die große Unwissenheit die- ser Herren recht gut bekannt war. Der Superin- tend hielt eine lange aufgeschriebene lateinische Rede, worin er den Spruch des Apostels erklärte: "Wer "ein Bischofsamt begehrt, begehrt ein köstliches "Werk." Nachher gings an die liebe Dogmatik, und zwar an den Artikel vom Abendmal, wo die ganze Orthodoxie ausgekramt wurde. Ich antwor- tete fertig, und hatte die Ehre, die hieher gehörigen Stellen aus dem 10ten und 11ten Kapitel des ersten Briefes an die Korinther auszulegen. Es wurden noch mehr Artikel, und besonders der von der heil. Schrift mit uns durchgegangen, wobei man die liebe Inspiration sehr vertheidigte. Ich würde meine Leser beleidigen, wenn ich ihnen das Darmstädtische Examen weitläuftiger beschreiben wollte: es war erz- orthodox, so orthodox, [d]aß Albertus Grauerus oder Pastor Götz ihre Freude hätten haben müssen, wenn sie dabei gewesen wären. -- Alle Kandidaten wur- den approbirt, obgleich einige keine drei Worte her- vorbringen konnten. Von den Examinatoren fehlte nur einer, nämlich der Hofprediger Stark, welcher eben damals, oder doch nicht lange vorher nach Darmstadt berufen war, und zwar auf Betrieb des Erbprinzen: denn sonst würde Herr Stark, dessen
auſſer mir noch ſechs Kandidaten, deren einige ich noch von Gießen aus kannte: und da ſtaͤrkte ſich mein Muth gewaltig, weil mir die große Unwiſſenheit die- ſer Herren recht gut bekannt war. Der Superin- tend hielt eine lange aufgeſchriebene lateiniſche Rede, worin er den Spruch des Apoſtels erklaͤrte: „Wer „ein Biſchofsamt begehrt, begehrt ein koͤſtliches „Werk.“ Nachher gings an die liebe Dogmatik, und zwar an den Artikel vom Abendmal, wo die ganze Orthodoxie ausgekramt wurde. Ich antwor- tete fertig, und hatte die Ehre, die hieher gehoͤrigen Stellen aus dem 10ten und 11ten Kapitel des erſten Briefes an die Korinther auszulegen. Es wurden noch mehr Artikel, und beſonders der von der heil. Schrift mit uns durchgegangen, wobei man die liebe Inſpiration ſehr vertheidigte. Ich wuͤrde meine Leſer beleidigen, wenn ich ihnen das Darmſtaͤdtiſche Examen weitlaͤuftiger beſchreiben wollte: es war erz- orthodox, ſo orthodox, [d]aß Albertus Grauerus oder Paſtor Goͤtz ihre Freude haͤtten haben muͤſſen, wenn ſie dabei geweſen waͤren. — Alle Kandidaten wur- den approbirt, obgleich einige keine drei Worte her- vorbringen konnten. Von den Examinatoren fehlte nur einer, naͤmlich der Hofprediger Stark, welcher eben damals, oder doch nicht lange vorher nach Darmſtadt berufen war, und zwar auf Betrieb des Erbprinzen: denn ſonſt wuͤrde Herr Stark, deſſen
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auſſer mir noch ſechs Kandidaten, deren einige ich
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Muth gewaltig, weil mir die große Unwiſſenheit die-
ſer Herren recht gut bekannt war. Der Superin-
tend hielt eine lange aufgeſchriebene lateiniſche Rede,
worin er den Spruch des Apoſtels erklaͤrte: „Wer
„ein Biſchofsamt begehrt, begehrt ein koͤſtliches
„Werk.“ Nachher gings an die liebe Dogmatik,
und zwar an den Artikel vom Abendmal, wo die
ganze Orthodoxie ausgekramt wurde. Ich antwor-
tete fertig, und hatte die Ehre, die hieher gehoͤrigen
Stellen aus dem 10ten und 11ten Kapitel des erſten
Briefes an die Korinther auszulegen. Es wurden
noch mehr Artikel, und beſonders der von der heil.
Schrift mit uns durchgegangen, wobei man die liebe
Inſpiration ſehr vertheidigte. Ich wuͤrde meine
Leſer beleidigen, wenn ich ihnen das Darmſtaͤdtiſche
Examen weitlaͤuftiger beſchreiben wollte: es war erz-
orthodox, ſo orthodox, daß Albertus Grauerus oder
Paſtor Goͤtz ihre Freude haͤtten haben muͤſſen, wenn
ſie dabei geweſen waͤren. — Alle Kandidaten wur-
den approbirt, obgleich einige keine drei Worte her-
vorbringen konnten. Von den Examinatoren fehlte
nur einer, naͤmlich der Hofprediger Stark, welcher
eben damals, oder doch nicht lange vorher nach
Darmſtadt berufen war, und zwar auf Betrieb des
Erbprinzen: denn ſonſt wuͤrde Herr Stark, deſſen
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/330>, abgerufen am 24.11.2024.
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