terricht eines Vaters jenem eines Lehrers weit vorzu- ziehen sey: und darin hatte er nun freilich Recht! Allein er hätte mehr auf meinen Verstand und mein Betragen, als auf mein Gedächtniß Rücksicht neh- men, und das letztere nicht blos mit einseitigen Kent- nissen ausfüllen sollen. Denn da unsre Lehrstunden nicht lange dauerten, und ich das, was ich außer denselben auswendig zu lernen hatte, mit meinem ziemlich glücklichen Gedächtniß bald faßte; so entzog ich mich seiner Aufsicht, und benuzte meine übrige Zeit, da mein Vater in seiner Studierstube oder im alten Hause mit Gold Laboriren beschäftigt war, zu allerhand kleinen Teufeleien. Meine Mutter gab vollends noch weniger auf die Aufführung ihrer Kin- der acht: und so waren wir größtentheils uns selbst überlassen.
Mein Vater setzte ferner, wie viele Väter, die Erziehung in den Unterricht: lernen hieß bei ihm er- zogen werden, und ein junger wohlgezogener Mensch bedeutete ihm blos einen Jüngling, der seinen Ci- cero und Virgil lesen, die Städte, Flüsse und dergleichen, auf der Landkarte anzeigen, die Namen der großen Herren, die Schlachten bei Marathon, Canna u. a. auf dem Nagel herzählen, und dann endlich französisch plappern konnte. "Dies, sagte er, ist für einen Knaben genug: das Uebrige gehört für die höhern Schulen!" Wie sehr er hierin geirrt habe
terricht eines Vaters jenem eines Lehrers weit vorzu- ziehen ſey: und darin hatte er nun freilich Recht! Allein er haͤtte mehr auf meinen Verſtand und mein Betragen, als auf mein Gedaͤchtniß Ruͤckſicht neh- men, und das letztere nicht blos mit einſeitigen Kent- niſſen ausfuͤllen ſollen. Denn da unſre Lehrſtunden nicht lange dauerten, und ich das, was ich außer denſelben auswendig zu lernen hatte, mit meinem ziemlich gluͤcklichen Gedaͤchtniß bald faßte; ſo entzog ich mich ſeiner Aufſicht, und benuzte meine uͤbrige Zeit, da mein Vater in ſeiner Studierſtube oder im alten Hauſe mit Gold Laboriren beſchaͤftigt war, zu allerhand kleinen Teufeleien. Meine Mutter gab vollends noch weniger auf die Auffuͤhrung ihrer Kin- der acht: und ſo waren wir groͤßtentheils uns ſelbſt uͤberlaſſen.
Mein Vater ſetzte ferner, wie viele Vaͤter, die Erziehung in den Unterricht: lernen hieß bei ihm er- zogen werden, und ein junger wohlgezogener Menſch bedeutete ihm blos einen Juͤngling, der ſeinen Ci- cero und Virgil leſen, die Staͤdte, Fluͤſſe und dergleichen, auf der Landkarte anzeigen, die Namen der großen Herren, die Schlachten bei Marathon, Canna u. a. auf dem Nagel herzaͤhlen, und dann endlich franzoͤſiſch plappern konnte. „Dies, ſagte er, iſt fuͤr einen Knaben genug: das Uebrige gehoͤrt fuͤr die hoͤhern Schulen!“ Wie ſehr er hierin geirrt habe
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terricht eines Vaters jenem eines Lehrers weit vorzu-
ziehen ſey: und darin hatte er nun freilich Recht!
Allein er haͤtte mehr auf meinen Verſtand und mein
Betragen, als auf mein Gedaͤchtniß Ruͤckſicht neh-
men, und das letztere nicht blos mit einſeitigen Kent-
niſſen ausfuͤllen ſollen. Denn da unſre Lehrſtunden
nicht lange dauerten, und ich das, was ich außer
denſelben auswendig zu lernen hatte, mit meinem
ziemlich gluͤcklichen Gedaͤchtniß bald faßte; ſo entzog
ich mich ſeiner Aufſicht, und benuzte meine uͤbrige
Zeit, da mein Vater in ſeiner Studierſtube oder im
alten Hauſe mit Gold Laboriren beſchaͤftigt war, zu
allerhand kleinen Teufeleien. Meine Mutter gab
vollends noch weniger auf die Auffuͤhrung ihrer Kin-
der acht: und ſo waren wir groͤßtentheils uns ſelbſt
uͤberlaſſen.
Mein Vater ſetzte ferner, wie viele Vaͤter, die
Erziehung in den Unterricht: lernen hieß bei ihm er-
zogen werden, und ein junger wohlgezogener Menſch
bedeutete ihm blos einen Juͤngling, der ſeinen Ci-
cero und Virgil leſen, die Staͤdte, Fluͤſſe und
dergleichen, auf der Landkarte anzeigen, die Namen
der großen Herren, die Schlachten bei Marathon,
Canna u. a. auf dem Nagel herzaͤhlen, und dann
endlich franzoͤſiſch plappern konnte. „Dies, ſagte er,
iſt fuͤr einen Knaben genug: das Uebrige gehoͤrt fuͤr
die hoͤhern Schulen!“ Wie ſehr er hierin geirrt habe
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/29>, abgerufen am 27.11.2024.
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