und mir selten Zeit ließ, mich zu besinnen. Ich ge- rieth in die Gesellschaft des Amtsverwalters Schön- burg zu Neubamberg, seines Aktuars Metz, des Licentiaten Machers zu Kreuznach, Amtschreibers Boger, Oberschulz Baumann von Wöllstein, und anderer lustigen Brüder. Diese Menschenkinder hatten sichs zum Gesetz gemacht, das steife Wesen, welches in den vornehmern Gesellschaften in der Pfalz herrschte, aufzugeben und einen freiern Ton einzufüh- ren. Sie sprachen daher, wie es ihnen in den Sinn kam, ohne darnach zu fragen, wer sie anhörte, mach- ten keine Komplimente, und bekümmerten sich gar nichts darum, was Andre von ihnen urtheilten. Freilich fielen diese Urtheile sehr ungünstig aus! Wenn man von ihnen sprach; so hieß es nur schlechtweg: der liederliche Amtsverwalter, der liederliche Macher u. s. w. Mein Vater sah es eben nicht gern, daß ich mich so sehr an diese Leute anschloß; aber da es doch Leute waren, welche in Karakter stunden, so ließ er es geschehen, ohne mir anfangs ernsthafte Vorstellungen dawider zu machen.
Daß ich in dieser Societät nicht wenig werde brillirt haben, läßt sich denken. Meine Zotologie war in Göttingen gleichsam verrostet; ich hohlte sie aber hier wieder hervor, und erlangte solchen Beifall daß kein Gelag ohne den Großen, so nannte man mich Kat'exokhen, gehalten werden konnte. Unsre
und mir ſelten Zeit ließ, mich zu beſinnen. Ich ge- rieth in die Geſellſchaft des Amtsverwalters Schoͤn- burg zu Neubamberg, ſeines Aktuars Metz, des Licentiaten Machers zu Kreuznach, Amtſchreibers Boger, Oberſchulz Baumann von Woͤllſtein, und anderer luſtigen Bruͤder. Dieſe Menſchenkinder hatten ſichs zum Geſetz gemacht, das ſteife Weſen, welches in den vornehmern Geſellſchaften in der Pfalz herrſchte, aufzugeben und einen freiern Ton einzufuͤh- ren. Sie ſprachen daher, wie es ihnen in den Sinn kam, ohne darnach zu fragen, wer ſie anhoͤrte, mach- ten keine Komplimente, und bekuͤmmerten ſich gar nichts darum, was Andre von ihnen urtheilten. Freilich fielen dieſe Urtheile ſehr unguͤnſtig aus! Wenn man von ihnen ſprach; ſo hieß es nur ſchlechtweg: der liederliche Amtsverwalter, der liederliche Macher u. ſ. w. Mein Vater ſah es eben nicht gern, daß ich mich ſo ſehr an dieſe Leute anſchloß; aber da es doch Leute waren, welche in Karakter ſtunden, ſo ließ er es geſchehen, ohne mir anfangs ernſthafte Vorſtellungen dawider zu machen.
Daß ich in dieſer Societaͤt nicht wenig werde brillirt haben, laͤßt ſich denken. Meine Zotologie war in Goͤttingen gleichſam verroſtet; ich hohlte ſie aber hier wieder hervor, und erlangte ſolchen Beifall daß kein Gelag ohne den Großen, ſo nannte man mich Κατ᾽εξοχὴν, gehalten werden konnte. Unſre
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und mir ſelten Zeit ließ, mich zu beſinnen. Ich ge-
rieth in die Geſellſchaft des Amtsverwalters Schoͤn-
burg zu Neubamberg, ſeines Aktuars Metz, des
Licentiaten Machers zu Kreuznach, Amtſchreibers
Boger, Oberſchulz Baumann von Woͤllſtein,
und anderer luſtigen Bruͤder. Dieſe Menſchenkinder
hatten ſichs zum Geſetz gemacht, das ſteife Weſen,
welches in den vornehmern Geſellſchaften in der Pfalz
herrſchte, aufzugeben und einen freiern Ton einzufuͤh-
ren. Sie ſprachen daher, wie es ihnen in den Sinn
kam, ohne darnach zu fragen, wer ſie anhoͤrte, mach-
ten keine Komplimente, und bekuͤmmerten ſich gar
nichts darum, was Andre von ihnen urtheilten.
Freilich fielen dieſe Urtheile ſehr unguͤnſtig aus! Wenn
man von ihnen ſprach; ſo hieß es nur ſchlechtweg:
der liederliche Amtsverwalter, der liederliche Macher
u. ſ. w. Mein Vater ſah es eben nicht gern, daß
ich mich ſo ſehr an dieſe Leute anſchloß; aber da es
doch Leute waren, welche in Karakter ſtunden, ſo
ließ er es geſchehen, ohne mir anfangs ernſthafte
Vorſtellungen dawider zu machen.
Daß ich in dieſer Societaͤt nicht wenig werde
brillirt haben, laͤßt ſich denken. Meine Zotologie war
in Goͤttingen gleichſam verroſtet; ich hohlte ſie aber
hier wieder hervor, und erlangte ſolchen Beifall
daß kein Gelag ohne den Großen, ſo nannte man
mich Κατ᾽εξοχὴν, gehalten werden konnte. Unſre
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/284>, abgerufen am 23.11.2024.
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