"deren regelmäßigem Leben auch nur im geringsten "zweifeln können." Eben dies gilt von Freunden und Freundinnen, und vorzüglich vom Gesinde. Man wird gleich sehen, warum.
Zu den schönen Tugenden, womit meine Ju- gend ausgerüstet war, gehört auch das Fluchen und Zotenreißen. Unser Knecht, Johann Ludwig Spangenberger unterrichtete mich in diesen sau- bern Künsten zu früh und zu viel. Er erklärte mir zuerst die Geheimnisse der Frauenzimmer, und brach- te mir leider so viel Theorie davon bei, daß ich in Stand gesetzt wurde, zu den schaamlosen Neckereien und Gesprächen des Gesindes e) mein Kontingent allemal richtig und mit Beifall zu liefern. Und seit- dem der Knecht mich so unterrichtete, suchte ich seine Gesellschaft mit aller Emsigkeit, und versah ihn mit Taback aus meines Vaters Büchse: es war natür- lich, daß sein Unterricht hierdurch zunahm. Da auch Meister Hans Ludwig wie ein Landsknecht fluchen konnte; so ahmte ich ihm auch hierin so treulich nach, daß jedesmal, wenn ich redete, das zweite Wort eine Zote und das dritte ein Fluch war. In meiner Eltern Gegenwart entfuhren mir anfänglich
e) In der Pfalz scheinen die Zoten wie zu Hause zu seyn: besonders herrscht unter den gemeinen Leuten eine sol- che Schaamlosigkeit im Reden, daß auch ein Preußischer Musketier über die unlautern Schäckereien der Pfälzer Hänsels und Gretels erröthen würde.
„deren regelmaͤßigem Leben auch nur im geringſten „zweifeln koͤnnen.“ Eben dies gilt von Freunden und Freundinnen, und vorzuͤglich vom Geſinde. Man wird gleich ſehen, warum.
Zu den ſchoͤnen Tugenden, womit meine Ju- gend ausgeruͤſtet war, gehoͤrt auch das Fluchen und Zotenreißen. Unſer Knecht, Johann Ludwig Spangenberger unterrichtete mich in dieſen ſau- bern Kuͤnſten zu fruͤh und zu viel. Er erklaͤrte mir zuerſt die Geheimniſſe der Frauenzimmer, und brach- te mir leider ſo viel Theorie davon bei, daß ich in Stand geſetzt wurde, zu den ſchaamloſen Neckereien und Geſpraͤchen des Geſindes e) mein Kontingent allemal richtig und mit Beifall zu liefern. Und ſeit- dem der Knecht mich ſo unterrichtete, ſuchte ich ſeine Geſellſchaft mit aller Emſigkeit, und verſah ihn mit Taback aus meines Vaters Buͤchſe: es war natuͤr- lich, daß ſein Unterricht hierdurch zunahm. Da auch Meiſter Hans Ludwig wie ein Landsknecht fluchen konnte; ſo ahmte ich ihm auch hierin ſo treulich nach, daß jedesmal, wenn ich redete, das zweite Wort eine Zote und das dritte ein Fluch war. In meiner Eltern Gegenwart entfuhren mir anfaͤnglich
e) In der Pfalz ſcheinen die Zoten wie zu Hauſe zu ſeyn: beſonders herrſcht unter den gemeinen Leuten eine ſol- che Schaamloſigkeit im Reden, daß auch ein Preußiſcher Musketier uͤber die unlautern Schaͤckereien der Pfaͤlzer Haͤnſels und Gretels erroͤthen wuͤrde.
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„deren regelmaͤßigem Leben auch nur im geringſten
„zweifeln koͤnnen.“ Eben dies gilt von Freunden
und Freundinnen, und vorzuͤglich vom Geſinde.
Man wird gleich ſehen, warum.
Zu den ſchoͤnen Tugenden, womit meine Ju-
gend ausgeruͤſtet war, gehoͤrt auch das Fluchen und
Zotenreißen. Unſer Knecht, Johann Ludwig
Spangenberger unterrichtete mich in dieſen ſau-
bern Kuͤnſten zu fruͤh und zu viel. Er erklaͤrte mir
zuerſt die Geheimniſſe der Frauenzimmer, und brach-
te mir leider ſo viel Theorie davon bei, daß ich in
Stand geſetzt wurde, zu den ſchaamloſen Neckereien
und Geſpraͤchen des Geſindes e) mein Kontingent
allemal richtig und mit Beifall zu liefern. Und ſeit-
dem der Knecht mich ſo unterrichtete, ſuchte ich ſeine
Geſellſchaft mit aller Emſigkeit, und verſah ihn mit
Taback aus meines Vaters Buͤchſe: es war natuͤr-
lich, daß ſein Unterricht hierdurch zunahm. Da auch
Meiſter Hans Ludwig wie ein Landsknecht fluchen
konnte; ſo ahmte ich ihm auch hierin ſo treulich
nach, daß jedesmal, wenn ich redete, das zweite
Wort eine Zote und das dritte ein Fluch war. In
meiner Eltern Gegenwart entfuhren mir anfaͤnglich
e) In der Pfalz ſcheinen die Zoten wie zu Hauſe zu ſeyn:
beſonders herrſcht unter den gemeinen Leuten eine ſol-
che Schaamloſigkeit im Reden, daß auch ein Preußiſcher
Musketier uͤber die unlautern Schaͤckereien der Pfaͤlzer
Haͤnſels und Gretels erroͤthen wuͤrde.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/27>, abgerufen am 16.07.2024.
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