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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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macht, und dabei immer, wie ein Milzsüchtiger,
andrer Leute Sitten speculirt, kann nicht gefallen.
Wie juristisch-positiv er sich den lieben Gott in Rück-
sicht auf das Wohl seiner vernünftigen Geschöpfe vor-
modle, zeigt sein einziger Weg zur Glückse-
ligkeit, den man aber in Göttingen nicht anders,
als die Himmelspost beniehmte. Wenn Herr Pütter
die Reichsgeschichte vorträgt; so hält er sich bei den
wichtigsten Sachen nur kurz auf; hingegen bei D.
Luthern und den Symbolen bringt er mehrere Wo-
chen zu. Selten versäumt er eine Kirche, geht auch
regelmäßig zum Abendmal, und betet ohne Unterlaß;
beiher jagt er aber sein Gesinde über das kleinste Ver-
sehen fort, und läßt seinen frommen Stolz jeder-
man empfinden, der zu ihm kommt: besonders soll
er denen, welche Hülfe und Unterstützung bei ihm
suchen, ausserordentlich streng und grob begegnen.
Das ist denn so der rechte Weg zur Glückselig-
keit!

Der andre Mann, den ich noch nennen will,
ist der verstorbene Ritter Michaelis. Die großen
Verdienste dieses Gelehrten um die morgenländische
Litteratur weisen ihm billig einen Platz unter den
größten Männern seines Jahrhunderts an, und
sichern seinen Namen vor jener Vergessenheit, welche
auf so manchen wartet, der sich jetzt für ein Licht der
Welt hält. Aber sein bis an Niederträchtigkeit grän-

macht, und dabei immer, wie ein Milzſuͤchtiger,
andrer Leute Sitten ſpeculirt, kann nicht gefallen.
Wie juriſtiſch-poſitiv er ſich den lieben Gott in Ruͤck-
ſicht auf das Wohl ſeiner vernuͤnftigen Geſchoͤpfe vor-
modle, zeigt ſein einziger Weg zur Gluͤckſe-
ligkeit, den man aber in Goͤttingen nicht anders,
als die Himmelspoſt beniehmte. Wenn Herr Puͤtter
die Reichsgeſchichte vortraͤgt; ſo haͤlt er ſich bei den
wichtigſten Sachen nur kurz auf; hingegen bei D.
Luthern und den Symbolen bringt er mehrere Wo-
chen zu. Selten verſaͤumt er eine Kirche, geht auch
regelmaͤßig zum Abendmal, und betet ohne Unterlaß;
beiher jagt er aber ſein Geſinde uͤber das kleinſte Ver-
ſehen fort, und laͤßt ſeinen frommen Stolz jeder-
man empfinden, der zu ihm kommt: beſonders ſoll
er denen, welche Huͤlfe und Unterſtuͤtzung bei ihm
ſuchen, auſſerordentlich ſtreng und grob begegnen.
Das iſt denn ſo der rechte Weg zur Gluͤckſelig-
keit!

Der andre Mann, den ich noch nennen will,
iſt der verſtorbene Ritter Michaelis. Die großen
Verdienſte dieſes Gelehrten um die morgenlaͤndiſche
Litteratur weiſen ihm billig einen Platz unter den
groͤßten Maͤnnern ſeines Jahrhunderts an, und
ſichern ſeinen Namen vor jener Vergeſſenheit, welche
auf ſo manchen wartet, der ſich jetzt fuͤr ein Licht der
Welt haͤlt. Aber ſein bis an Niedertraͤchtigkeit graͤn-

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[253/0267] macht, und dabei immer, wie ein Milzſuͤchtiger, andrer Leute Sitten ſpeculirt, kann nicht gefallen. Wie juriſtiſch-poſitiv er ſich den lieben Gott in Ruͤck- ſicht auf das Wohl ſeiner vernuͤnftigen Geſchoͤpfe vor- modle, zeigt ſein einziger Weg zur Gluͤckſe- ligkeit, den man aber in Goͤttingen nicht anders, als die Himmelspoſt beniehmte. Wenn Herr Puͤtter die Reichsgeſchichte vortraͤgt; ſo haͤlt er ſich bei den wichtigſten Sachen nur kurz auf; hingegen bei D. Luthern und den Symbolen bringt er mehrere Wo- chen zu. Selten verſaͤumt er eine Kirche, geht auch regelmaͤßig zum Abendmal, und betet ohne Unterlaß; beiher jagt er aber ſein Geſinde uͤber das kleinſte Ver- ſehen fort, und laͤßt ſeinen frommen Stolz jeder- man empfinden, der zu ihm kommt: beſonders ſoll er denen, welche Huͤlfe und Unterſtuͤtzung bei ihm ſuchen, auſſerordentlich ſtreng und grob begegnen. Das iſt denn ſo der rechte Weg zur Gluͤckſelig- keit! Der andre Mann, den ich noch nennen will, iſt der verſtorbene Ritter Michaelis. Die großen Verdienſte dieſes Gelehrten um die morgenlaͤndiſche Litteratur weiſen ihm billig einen Platz unter den groͤßten Maͤnnern ſeines Jahrhunderts an, und ſichern ſeinen Namen vor jener Vergeſſenheit, welche auf ſo manchen wartet, der ſich jetzt fuͤr ein Licht der Welt haͤlt. Aber ſein bis an Niedertraͤchtigkeit graͤn-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/267>, abgerufen am 27.11.2024.