Der Jesuit oder Exjesuit Goldhagen ist quasi das Haupt der theologischen Fakultät. Ich hatte im Jahr 1781 Gelegenheit, diesen Herrn nebst einem andern sehr korpulenten Theologen, dem Herrn Het- tersdorf kennen zu lernen, als ich für den Pfarrer Thiels in Undenheim bei ihnen sollicitirte, wie ich an seinem Ort berichten werde.
Goldhagen hat nicht das einnehmende We- sen, das man sonst bei Jesuiten bemerkt, oder viel- mehr bemerkt haben will: denn die ich gesehen habe, waren meist grobe ungeschliffene Menschen: und Goldhagen ist nichts anders. Er versprach mir da- mals zwar, für Herrn Thiels bei dem Herrn von Köth zu intercediren; wollte aber durchaus nicht zu- geben, daß ich den Herrn Thiels Pfarrer nannte, noch weniger Priester: Prädikant müsse er heis- sen! Und nun mußte ich eine weitläufrige Demon- stration anhören, daß die unkatholischen -- so glimpflich nannte er die Protestanten -- obgleich auf diese Art auch jeder Jude, Muhamedaner u. s. w. unkatholisch und folglich Protestant ist -- keine äch- ten Priester hätten, die konsekriren könnten. Er führte noch mehr Kontroversen mit mir, halb latein und halb deutsch, nach ächter Jesuiter- Methode, und nannte mir hundertmal die Namen des heiligen Augustins, Hieronymus, Athanasius, Bernhardus und andrer Pseudoheiligen, welche ich besser kannte,
Der Jeſuit oder Exjeſuit Goldhagen iſt quaſi das Haupt der theologiſchen Fakultaͤt. Ich hatte im Jahr 1781 Gelegenheit, dieſen Herrn nebſt einem andern ſehr korpulenten Theologen, dem Herrn Het- tersdorf kennen zu lernen, als ich fuͤr den Pfarrer Thiels in Undenheim bei ihnen ſollicitirte, wie ich an ſeinem Ort berichten werde.
Goldhagen hat nicht das einnehmende We- ſen, das man ſonſt bei Jeſuiten bemerkt, oder viel- mehr bemerkt haben will: denn die ich geſehen habe, waren meiſt grobe ungeſchliffene Menſchen: und Goldhagen iſt nichts anders. Er verſprach mir da- mals zwar, fuͤr Herrn Thiels bei dem Herrn von Koͤth zu intercediren; wollte aber durchaus nicht zu- geben, daß ich den Herrn Thiels Pfarrer nannte, noch weniger Prieſter: Praͤdikant muͤſſe er heiſ- ſen! Und nun mußte ich eine weitlaͤufrige Demon- ſtration anhoͤren, daß die unkatholiſchen — ſo glimpflich nannte er die Proteſtanten — obgleich auf dieſe Art auch jeder Jude, Muhamedaner u. ſ. w. unkatholiſch und folglich Proteſtant iſt — keine aͤch- ten Prieſter haͤtten, die konſekriren koͤnnten. Er fuͤhrte noch mehr Kontroverſen mit mir, halb latein und halb deutſch, nach aͤchter Jeſuiter- Methode, und nannte mir hundertmal die Namen des heiligen Auguſtins, Hieronymus, Athanaſius, Bernhardus und andrer Pſeudoheiligen, welche ich beſſer kannte,
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Der Jeſuit oder Exjeſuit Goldhagen iſt quaſi
das Haupt der theologiſchen Fakultaͤt. Ich hatte
im Jahr 1781 Gelegenheit, dieſen Herrn nebſt einem
andern ſehr korpulenten Theologen, dem Herrn Het-
tersdorf kennen zu lernen, als ich fuͤr den Pfarrer
Thiels in Undenheim bei ihnen ſollicitirte, wie ich
an ſeinem Ort berichten werde.
Goldhagen hat nicht das einnehmende We-
ſen, das man ſonſt bei Jeſuiten bemerkt, oder viel-
mehr bemerkt haben will: denn die ich geſehen habe,
waren meiſt grobe ungeſchliffene Menſchen: und
Goldhagen iſt nichts anders. Er verſprach mir da-
mals zwar, fuͤr Herrn Thiels bei dem Herrn von
Koͤth zu intercediren; wollte aber durchaus nicht zu-
geben, daß ich den Herrn Thiels Pfarrer nannte,
noch weniger Prieſter: Praͤdikant muͤſſe er heiſ-
ſen! Und nun mußte ich eine weitlaͤufrige Demon-
ſtration anhoͤren, daß die unkatholiſchen — ſo
glimpflich nannte er die Proteſtanten — obgleich auf
dieſe Art auch jeder Jude, Muhamedaner u. ſ. w.
unkatholiſch und folglich Proteſtant iſt — keine aͤch-
ten Prieſter haͤtten, die konſekriren koͤnnten. Er
fuͤhrte noch mehr Kontroverſen mit mir, halb latein
und halb deutſch, nach aͤchter Jeſuiter- Methode,
und nannte mir hundertmal die Namen des heiligen
Auguſtins, Hieronymus, Athanaſius, Bernhardus
und andrer Pſeudoheiligen, welche ich beſſer kannte,
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/238>, abgerufen am 26.09.2024.
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