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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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fessoren mußten ihre Vorlesungen aussetzen. In
Gleiberg lagen sie in den Scheunen und Bauernstu-
ben auf dem Stroh, und sahen aus, wie die Hot-
tentotten. Wie viel Unordnungen und Skandale
da vorgegangen sind, kann man denken.

Dem Kanzler und Rektor war es bei der Sache
nicht wohl zu Muthe: sie befürchteten, wenn der-
gleichen Possen vor den Landesherrn kämen -- in
Darmstadt hatten sie schon alles zu ihrem Vortheil
eingelenkt -- so möchte man sie zur Rede stellen:
denn sie waren es doch, die durch eine unzeitige
Einführung ganz neuer Strafen, die erste Gelegen-
heit zu den Händeln gegeben hatten, und recht wohl
wußten, daß die Geldstrafen ihre und nicht des Für-
sten Erfindung, waren. Um indeß den übeln Fol-
gen vorzubeugen, suchten sie um eine Komission bei
dem Kuratorium an, und der Kurator, Herr Ge-
heime-Rath Heß, erschien selbst in Gießen, inqui-
rirte, und hob die Geldstrafen auf. Einige schon
in die Kassen der Herren gefallne Gelder wurden
auch wieder zurück gegeben. Aber Herr Heß war
nicht im Stande, den Tumult zu stillen, und die
Universität zu beruhigen. Die meisten Bursche blie-
ben auf den Dörfern bis zum Herbst, wo sie entwe-
der abgingen, oder andere Universitäten bezogen;
einige brachten den Winter in Gleiberg zu.


feſſoren mußten ihre Vorleſungen ausſetzen. In
Gleiberg lagen ſie in den Scheunen und Bauernſtu-
ben auf dem Stroh, und ſahen aus, wie die Hot-
tentotten. Wie viel Unordnungen und Skandale
da vorgegangen ſind, kann man denken.

Dem Kanzler und Rektor war es bei der Sache
nicht wohl zu Muthe: ſie befuͤrchteten, wenn der-
gleichen Poſſen vor den Landesherrn kaͤmen — in
Darmſtadt hatten ſie ſchon alles zu ihrem Vortheil
eingelenkt — ſo moͤchte man ſie zur Rede ſtellen:
denn ſie waren es doch, die durch eine unzeitige
Einfuͤhrung ganz neuer Strafen, die erſte Gelegen-
heit zu den Haͤndeln gegeben hatten, und recht wohl
wußten, daß die Geldſtrafen ihre und nicht des Fuͤr-
ſten Erfindung, waren. Um indeß den uͤbeln Fol-
gen vorzubeugen, ſuchten ſie um eine Komiſſion bei
dem Kuratorium an, und der Kurator, Herr Ge-
heime-Rath Heß, erſchien ſelbſt in Gießen, inqui-
rirte, und hob die Geldſtrafen auf. Einige ſchon
in die Kaſſen der Herren gefallne Gelder wurden
auch wieder zuruͤck gegeben. Aber Herr Heß war
nicht im Stande, den Tumult zu ſtillen, und die
Univerſitaͤt zu beruhigen. Die meiſten Burſche blie-
ben auf den Doͤrfern bis zum Herbſt, wo ſie entwe-
der abgingen, oder andere Univerſitaͤten bezogen;
einige brachten den Winter in Gleiberg zu.


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[214/0228] feſſoren mußten ihre Vorleſungen ausſetzen. In Gleiberg lagen ſie in den Scheunen und Bauernſtu- ben auf dem Stroh, und ſahen aus, wie die Hot- tentotten. Wie viel Unordnungen und Skandale da vorgegangen ſind, kann man denken. Dem Kanzler und Rektor war es bei der Sache nicht wohl zu Muthe: ſie befuͤrchteten, wenn der- gleichen Poſſen vor den Landesherrn kaͤmen — in Darmſtadt hatten ſie ſchon alles zu ihrem Vortheil eingelenkt — ſo moͤchte man ſie zur Rede ſtellen: denn ſie waren es doch, die durch eine unzeitige Einfuͤhrung ganz neuer Strafen, die erſte Gelegen- heit zu den Haͤndeln gegeben hatten, und recht wohl wußten, daß die Geldſtrafen ihre und nicht des Fuͤr- ſten Erfindung, waren. Um indeß den uͤbeln Fol- gen vorzubeugen, ſuchten ſie um eine Komiſſion bei dem Kuratorium an, und der Kurator, Herr Ge- heime-Rath Heß, erſchien ſelbſt in Gießen, inqui- rirte, und hob die Geldſtrafen auf. Einige ſchon in die Kaſſen der Herren gefallne Gelder wurden auch wieder zuruͤck gegeben. Aber Herr Heß war nicht im Stande, den Tumult zu ſtillen, und die Univerſitaͤt zu beruhigen. Die meiſten Burſche blie- ben auf den Doͤrfern bis zum Herbſt, wo ſie entwe- der abgingen, oder andere Univerſitaͤten bezogen; einige brachten den Winter in Gleiberg zu.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/228>, abgerufen am 24.11.2024.