Mein Vater hatte mir vor der Kirche zugehört, ohne daß ich es wußte, und war hernach ganz ent- zückt über meine Eloquenz, -- nur meinte er, ich müßte künftig meine Predigten hübsch selbst ausar- beiten, und mich ja nicht, wie sonst die Herren, aufs Reiten legen. In der Folge habe ich zwar manche Predigt selbst gemacht; die meisten aber schrieb ich ab, und hielt sie. Ich glaubte das nämliche Recht zu haben, was ein Professor der Geschichte hat, welcher sie wörtlich abschreibt, und hernach seinen Herren Zuhörern dahin kanzelt.
Meine Therese bekam ich für diesmal nicht zu se- hen: sie war in Manheim, und mir war die Lust ver- gangen, mich einem Wischer von meinem Vater da- durch auszusetzen, daß ich dahin hätte fahren mögen. Beiher hatte ich auch ein anderes Mädchen kennen gelernt, welches mir meinen Aufenthalt zu Hause ziemlich angenehm machte. Verliebt in sie -- bin ich wahrlich nicht gewesen, bin auch seit Theresens Zeiten es in keine mehr geworden, hab' gar hernach über die verliebten Thorheiten oft weidlich gelacht! Doch hatt' ich so mein Behagen an hübschen Gesich- tern, aber auch blos an Gesichtern, d. i. am Kör- perlichen: denn für die Seelen der Weiber hab' ich von jeher blutwenig Respect gehabt. Es sind, so nach meiner Meinung, welche ich aber niemanden aufdringen will, die sich indeß schon von selbst in
Mein Vater hatte mir vor der Kirche zugehoͤrt, ohne daß ich es wußte, und war hernach ganz ent- zuͤckt uͤber meine Eloquenz, — nur meinte er, ich muͤßte kuͤnftig meine Predigten huͤbſch ſelbſt ausar- beiten, und mich ja nicht, wie ſonſt die Herren, aufs Reiten legen. In der Folge habe ich zwar manche Predigt ſelbſt gemacht; die meiſten aber ſchrieb ich ab, und hielt ſie. Ich glaubte das naͤmliche Recht zu haben, was ein Profeſſor der Geſchichte hat, welcher ſie woͤrtlich abſchreibt, und hernach ſeinen Herren Zuhoͤrern dahin kanzelt.
Meine Thereſe bekam ich fuͤr diesmal nicht zu ſe- hen: ſie war in Manheim, und mir war die Luſt ver- gangen, mich einem Wiſcher von meinem Vater da- durch auszuſetzen, daß ich dahin haͤtte fahren moͤgen. Beiher hatte ich auch ein anderes Maͤdchen kennen gelernt, welches mir meinen Aufenthalt zu Hauſe ziemlich angenehm machte. Verliebt in ſie — bin ich wahrlich nicht geweſen, bin auch ſeit Thereſens Zeiten es in keine mehr geworden, hab' gar hernach uͤber die verliebten Thorheiten oft weidlich gelacht! Doch hatt' ich ſo mein Behagen an huͤbſchen Geſich- tern, aber auch blos an Geſichtern, d. i. am Koͤr- perlichen: denn fuͤr die Seelen der Weiber hab' ich von jeher blutwenig Reſpect gehabt. Es ſind, ſo nach meiner Meinung, welche ich aber niemanden aufdringen will, die ſich indeß ſchon von ſelbſt in
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Mein Vater hatte mir vor der Kirche zugehoͤrt,
ohne daß ich es wußte, und war hernach ganz ent-
zuͤckt uͤber meine Eloquenz, — nur meinte er, ich
muͤßte kuͤnftig meine Predigten huͤbſch ſelbſt ausar-
beiten, und mich ja nicht, wie ſonſt die Herren, aufs
Reiten legen. In der Folge habe ich zwar manche
Predigt ſelbſt gemacht; die meiſten aber ſchrieb ich
ab, und hielt ſie. Ich glaubte das naͤmliche Recht
zu haben, was ein Profeſſor der Geſchichte hat,
welcher ſie woͤrtlich abſchreibt, und hernach ſeinen
Herren Zuhoͤrern dahin kanzelt.
Meine Thereſe bekam ich fuͤr diesmal nicht zu ſe-
hen: ſie war in Manheim, und mir war die Luſt ver-
gangen, mich einem Wiſcher von meinem Vater da-
durch auszuſetzen, daß ich dahin haͤtte fahren moͤgen.
Beiher hatte ich auch ein anderes Maͤdchen kennen
gelernt, welches mir meinen Aufenthalt zu Hauſe
ziemlich angenehm machte. Verliebt in ſie — bin
ich wahrlich nicht geweſen, bin auch ſeit Thereſens
Zeiten es in keine mehr geworden, hab' gar hernach
uͤber die verliebten Thorheiten oft weidlich gelacht!
Doch hatt' ich ſo mein Behagen an huͤbſchen Geſich-
tern, aber auch blos an Geſichtern, d. i. am Koͤr-
perlichen: denn fuͤr die Seelen der Weiber hab' ich
von jeher blutwenig Reſpect gehabt. Es ſind, ſo
nach meiner Meinung, welche ich aber niemanden
aufdringen will, die ſich indeß ſchon von ſelbſt in
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/188>, abgerufen am 24.11.2024.
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