der Folge, da er sein Studium nicht nach Art so vie- ler geistlichen Herren, an den Nagel henkte, unter- suchte er alle Dogmen seines Kompendiums, und verwarf sie alle, da er sie mit den Sätzen seiner lieben Metaphysik unvereinbar fand. Endlich fiel er gar auf die Bücher des berüchtigten Spinosa, wodurch er ein vollkommner Pantheist ward.
Ich kann dieses meinem Vater jetzt getrost nach- sagen, da er todt ist, und wol nicht zu vermuthen steht, daß ihn die hyperorthodoxen Herren in der Pfalz werden ausgraben lassen, wie dies vor ohn- gefähr vierzig Jahren dem redlichen Bergmeister Schittehelm von Mörsfeld geschehen ist. Es liessen nämlich die protestantischen Geistlichen zu Kreuznach diesen hellsehenden Kopf als einen Edel- mannianer herausgraben, und so nahe an den Nohfluß einscharren, daß ihn der Strom beim er- sten Anschwellen heraus und mit sich fort riß. Der- gleichen Barbarei wird man doch, hoffe ich, am Ende dieses Jahrhunderts nicht mehr begehen!
Sonst war mein Vater sehr behutsam in seinen Reden über die Religion: nur seinen besten Freun- den vertraute er dann und wann etwas von seinen Privatmeinungen, und bekannte mir oft in traulichen Gesprächen, daß er gar nicht wünschte, daß sein Sy- stem Leuten bekannt würde, welche einen moralischen Misbrauch davon machen könnten. Vielleicht ge[ - 2 Zeichen fehlen]
der Folge, da er ſein Studium nicht nach Art ſo vie- ler geiſtlichen Herren, an den Nagel henkte, unter- ſuchte er alle Dogmen ſeines Kompendiums, und verwarf ſie alle, da er ſie mit den Saͤtzen ſeiner lieben Metaphyſik unvereinbar fand. Endlich fiel er gar auf die Buͤcher des beruͤchtigten Spinoſa, wodurch er ein vollkommner Pantheiſt ward.
Ich kann dieſes meinem Vater jetzt getroſt nach- ſagen, da er todt iſt, und wol nicht zu vermuthen ſteht, daß ihn die hyperorthodoxen Herren in der Pfalz werden ausgraben laſſen, wie dies vor ohn- gefaͤhr vierzig Jahren dem redlichen Bergmeiſter Schittehelm von Moͤrsfeld geſchehen iſt. Es lieſſen naͤmlich die proteſtantiſchen Geiſtlichen zu Kreuznach dieſen hellſehenden Kopf als einen Edel- mannianer herausgraben, und ſo nahe an den Nohfluß einſcharren, daß ihn der Strom beim er- ſten Anſchwellen heraus und mit ſich fort riß. Der- gleichen Barbarei wird man doch, hoffe ich, am Ende dieſes Jahrhunderts nicht mehr begehen!
Sonſt war mein Vater ſehr behutſam in ſeinen Reden uͤber die Religion: nur ſeinen beſten Freun- den vertraute er dann und wann etwas von ſeinen Privatmeinungen, und bekannte mir oft in traulichen Geſpraͤchen, daß er gar nicht wuͤnſchte, daß ſein Sy- ſtem Leuten bekannt wuͤrde, welche einen moraliſchen Misbrauch davon machen koͤnnten. Vielleicht ge[ – 2 Zeichen fehlen]
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der Folge, da er ſein Studium nicht nach Art ſo vie-
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ſuchte er alle Dogmen ſeines Kompendiums, und
verwarf ſie alle, da er ſie mit den Saͤtzen ſeiner
lieben Metaphyſik unvereinbar fand. Endlich fiel er
gar auf die Buͤcher des beruͤchtigten Spinoſa,
wodurch er ein vollkommner Pantheiſt ward.
Ich kann dieſes meinem Vater jetzt getroſt nach-
ſagen, da er todt iſt, und wol nicht zu vermuthen
ſteht, daß ihn die hyperorthodoxen Herren in der
Pfalz werden ausgraben laſſen, wie dies vor ohn-
gefaͤhr vierzig Jahren dem redlichen Bergmeiſter
Schittehelm von Moͤrsfeld geſchehen iſt. Es
lieſſen naͤmlich die proteſtantiſchen Geiſtlichen zu
Kreuznach dieſen hellſehenden Kopf als einen Edel-
mannianer herausgraben, und ſo nahe an den
Nohfluß einſcharren, daß ihn der Strom beim er-
ſten Anſchwellen heraus und mit ſich fort riß. Der-
gleichen Barbarei wird man doch, hoffe ich, am Ende
dieſes Jahrhunderts nicht mehr begehen!
Sonſt war mein Vater ſehr behutſam in ſeinen
Reden uͤber die Religion: nur ſeinen beſten Freun-
den vertraute er dann und wann etwas von ſeinen
Privatmeinungen, und bekannte mir oft in traulichen
Geſpraͤchen, daß er gar nicht wuͤnſchte, daß ſein Sy-
ſtem Leuten bekannt wuͤrde, welche einen moraliſchen
Misbrauch davon machen koͤnnten. Vielleicht ge__
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/17>, abgerufen am 24.11.2024.
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