so elend spielen, wie weiland Signor Schmettau in Passendorf, oder der Signor, welcher diesen Win- ter, 1792, in Merseburg die besten Stücke so fein radebrechen konnte. Mein Geschmack ist wahrlich nicht fein; aber von den vielen Schauspielen, wel- chen ich in Wetzlar beiwohnte, hat mir auch nicht eins gefallen. Einst sah ich Leßings Emilia Ga- lotti: da agirte Odoardo wie ein besoffener Korporal, Marinelli wie ein Hanswurst, und der Prinz natür- lich wie ein Schuhknecht. Klaudia sah aus, wie eine Pastorswittwe, Emilia wie ein Hockenmädchen, und die Gräfin Orsina endlich wie eine kuraschirte derbe Burschen-Aufwärterin. Schreien konnten die Kerls und die Menscher, als wenn alle halb taub gewesen wären. So war die Komödie! dem aber ohngeachtet klatschten die Wezlarische Herren und Da- men, als spielte ein Garrik!
Das Entree kostete indessen auch nicht viel -- drei Batzen auf dem Parterr! Und für kupfer-Geld kriegt man auch nur kupferne Seelmessen! Daher ist das Theater immer schlecht erleuchtet, und die Musik ganz abscheulich. Nirgends kann eine Musik elender seyn, als sie dort im Schauspielhause und auf den Bällen ist. Ordentliche Konzerte hört man da nicht, wenigstens zu meiner Zeit nicht; dann und wann, eben wie in Gießen, kommt ein Fremder, und läßt sich hören. Sonst giebts Karrussel u. d. g, in Wez-
ſo elend ſpielen, wie weiland Signor Schmettau in Paſſendorf, oder der Signor, welcher dieſen Win- ter, 1792, in Merſeburg die beſten Stuͤcke ſo fein radebrechen konnte. Mein Geſchmack iſt wahrlich nicht fein; aber von den vielen Schauſpielen, wel- chen ich in Wetzlar beiwohnte, hat mir auch nicht eins gefallen. Einſt ſah ich Leßings Emilia Ga- lotti: da agirte Odoardo wie ein beſoffener Korporal, Marinelli wie ein Hanswurſt, und der Prinz natuͤr- lich wie ein Schuhknecht. Klaudia ſah aus, wie eine Paſtorswittwe, Emilia wie ein Hockenmaͤdchen, und die Graͤfin Orſina endlich wie eine kuraſchirte derbe Burſchen-Aufwaͤrterin. Schreien konnten die Kerls und die Menſcher, als wenn alle halb taub geweſen waͤren. So war die Komoͤdie! dem aber ohngeachtet klatſchten die Wezlariſche Herren und Da- men, als ſpielte ein Garrik!
Das Entree koſtete indeſſen auch nicht viel — drei Batzen auf dem Parterr! Und fuͤr kupfer-Geld kriegt man auch nur kupferne Seelmeſſen! Daher iſt das Theater immer ſchlecht erleuchtet, und die Muſik ganz abſcheulich. Nirgends kann eine Muſik elender ſeyn, als ſie dort im Schauſpielhauſe und auf den Baͤllen iſt. Ordentliche Konzerte hoͤrt man da nicht, wenigſtens zu meiner Zeit nicht; dann und wann, eben wie in Gießen, kommt ein Fremder, und laͤßt ſich hoͤren. Sonſt giebts Karruſſel u. d. g, in Wez-
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ſo elend ſpielen, wie weiland Signor Schmettau in
Paſſendorf, oder der Signor, welcher dieſen Win-
ter, 1792, in Merſeburg die beſten Stuͤcke ſo fein
radebrechen konnte. Mein Geſchmack iſt wahrlich
nicht fein; aber von den vielen Schauſpielen, wel-
chen ich in Wetzlar beiwohnte, hat mir auch nicht
eins gefallen. Einſt ſah ich Leßings Emilia Ga-
lotti: da agirte Odoardo wie ein beſoffener Korporal,
Marinelli wie ein Hanswurſt, und der Prinz natuͤr-
lich wie ein Schuhknecht. Klaudia ſah aus, wie
eine Paſtorswittwe, Emilia wie ein Hockenmaͤdchen,
und die Graͤfin Orſina endlich wie eine kuraſchirte
derbe Burſchen-Aufwaͤrterin. Schreien konnten
die Kerls und die Menſcher, als wenn alle halb taub
geweſen waͤren. So war die Komoͤdie! dem aber
ohngeachtet klatſchten die Wezlariſche Herren und Da-
men, als ſpielte ein Garrik!
Das Entree koſtete indeſſen auch nicht viel —
drei Batzen auf dem Parterr! Und fuͤr kupfer-Geld
kriegt man auch nur kupferne Seelmeſſen! Daher iſt
das Theater immer ſchlecht erleuchtet, und die Muſik
ganz abſcheulich. Nirgends kann eine Muſik elender
ſeyn, als ſie dort im Schauſpielhauſe und auf den
Baͤllen iſt. Ordentliche Konzerte hoͤrt man da nicht,
wenigſtens zu meiner Zeit nicht; dann und wann,
eben wie in Gießen, kommt ein Fremder, und laͤßt
ſich hoͤren. Sonſt giebts Karruſſel u. d. g, in Wez-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/151>, abgerufen am 22.11.2024.
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