den von da, und ist ein ungleiches, rustiges, schlecht gebautes Nest. Die Stadt ist gemischter Religion. Die Geistlichkeit derselben ist so bigot, daß man wohl schwerlich in der Welt bigotteres Grob antref- fen wird. Nur ein Pröbchen hiervon.
Kurz vor meiner Zeit hatte sich der Sekretär Jerusalem, der Sohn des berühmten Abts Jeru- salem aus Haß gegen einen Gesandten und aus Liebe zur Tochter des Amtmanns Buff, erschossen. Man sagte damals in Gießen und Wetzlar, daß eine Belei- digung, welche Jerusalem in dem Hause des Präsi- denten, Grafen von Spauer, habe erdulden müßen, bei dem sehr empfindlichen und stolzen Jüngling das meiste zu diesem traurigen Entschluß gewirkt habe. Genug, Jerusalem erschoß sich: und nun hatte es Schwierigkeit mit seiner Begräbnißstätte. Der Amt- mann Buff, ein redlicher Mann, bath den Pfarrer Pilger um die Erlaubniß, die Leiche des Unglück- lichen auf den Gottesacker zu begraben: aber der Pfaffe, der leider in dieser Sache zu befehlen hatte, sah jeden Selbstmörder als ein Aas an, das eigent- lich für den Schinder gehöre, und versagte die Er- laubniß. Kaum konnte der Graf v. Spauer, der sich recht thätlich für Jerusalems ehrliche Beerdigung interessirte, soviel erhalten, daß der Erblaßte auf einer Ecke des Gottesackers durfte begraben werden. Der Pastor Pilger hat hernach mehreer Predigten
den von da, und iſt ein ungleiches, ruſtiges, ſchlecht gebautes Neſt. Die Stadt iſt gemiſchter Religion. Die Geiſtlichkeit derſelben iſt ſo bigot, daß man wohl ſchwerlich in der Welt bigotteres Grob antref- fen wird. Nur ein Proͤbchen hiervon.
Kurz vor meiner Zeit hatte ſich der Sekretaͤr Jeruſalem, der Sohn des beruͤhmten Abts Jeru- ſalem aus Haß gegen einen Geſandten und aus Liebe zur Tochter des Amtmanns Buff, erſchoſſen. Man ſagte damals in Gießen und Wetzlar, daß eine Belei- digung, welche Jeruſalem in dem Hauſe des Praͤſi- denten, Grafen von Spauer, habe erdulden muͤßen, bei dem ſehr empfindlichen und ſtolzen Juͤngling das meiſte zu dieſem traurigen Entſchluß gewirkt habe. Genug, Jeruſalem erſchoß ſich: und nun hatte es Schwierigkeit mit ſeiner Begraͤbnißſtaͤtte. Der Amt- mann Buff, ein redlicher Mann, bath den Pfarrer Pilger um die Erlaubniß, die Leiche des Ungluͤck- lichen auf den Gottesacker zu begraben: aber der Pfaffe, der leider in dieſer Sache zu befehlen hatte, ſah jeden Selbſtmoͤrder als ein Aas an, das eigent- lich fuͤr den Schinder gehoͤre, und verſagte die Er- laubniß. Kaum konnte der Graf v. Spauer, der ſich recht thaͤtlich fuͤr Jeruſalems ehrliche Beerdigung intereſſirte, ſoviel erhalten, daß der Erblaßte auf einer Ecke des Gottesackers durfte begraben werden. Der Paſtor Pilger hat hernach mehreer Predigten
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0149"n="135"/>
den von da, und iſt ein ungleiches, ruſtiges, ſchlecht<lb/>
gebautes Neſt. Die Stadt iſt gemiſchter Religion.<lb/>
Die Geiſtlichkeit derſelben iſt ſo bigot, daß man<lb/>
wohl ſchwerlich in der Welt bigotteres Grob antref-<lb/>
fen wird. Nur ein Proͤbchen hiervon.</p><lb/><p>Kurz vor meiner Zeit hatte ſich der Sekretaͤr<lb/><hirendition="#g">Jeruſalem</hi>, der Sohn des beruͤhmten Abts Jeru-<lb/>ſalem aus Haß gegen einen Geſandten und aus Liebe<lb/>
zur Tochter des Amtmanns <hirendition="#g">Buff</hi>, erſchoſſen. Man<lb/>ſagte damals in Gießen und Wetzlar, daß eine Belei-<lb/>
digung, welche Jeruſalem in dem Hauſe des Praͤſi-<lb/>
denten, Grafen von Spauer, habe erdulden muͤßen,<lb/>
bei dem ſehr empfindlichen und ſtolzen Juͤngling das<lb/>
meiſte zu dieſem traurigen Entſchluß gewirkt habe.<lb/>
Genug, Jeruſalem erſchoß ſich: und nun hatte es<lb/>
Schwierigkeit mit ſeiner Begraͤbnißſtaͤtte. Der Amt-<lb/>
mann Buff, ein redlicher Mann, bath den Pfarrer<lb/><hirendition="#g">Pilger</hi> um die Erlaubniß, die Leiche des Ungluͤck-<lb/>
lichen auf den Gottesacker zu begraben: aber der<lb/>
Pfaffe, der leider in dieſer Sache zu befehlen hatte,<lb/>ſah jeden Selbſtmoͤrder als ein Aas an, das eigent-<lb/>
lich fuͤr den Schinder gehoͤre, und verſagte die Er-<lb/>
laubniß. Kaum konnte der Graf v. <hirendition="#g">Spauer</hi>, der<lb/>ſich recht thaͤtlich fuͤr Jeruſalems ehrliche Beerdigung<lb/>
intereſſirte, ſoviel erhalten, daß der Erblaßte auf<lb/>
einer Ecke des Gottesackers durfte begraben werden.<lb/>
Der Paſtor Pilger hat hernach mehreer Predigten<lb/></p></div></body></text></TEI>
[135/0149]
den von da, und iſt ein ungleiches, ruſtiges, ſchlecht
gebautes Neſt. Die Stadt iſt gemiſchter Religion.
Die Geiſtlichkeit derſelben iſt ſo bigot, daß man
wohl ſchwerlich in der Welt bigotteres Grob antref-
fen wird. Nur ein Proͤbchen hiervon.
Kurz vor meiner Zeit hatte ſich der Sekretaͤr
Jeruſalem, der Sohn des beruͤhmten Abts Jeru-
ſalem aus Haß gegen einen Geſandten und aus Liebe
zur Tochter des Amtmanns Buff, erſchoſſen. Man
ſagte damals in Gießen und Wetzlar, daß eine Belei-
digung, welche Jeruſalem in dem Hauſe des Praͤſi-
denten, Grafen von Spauer, habe erdulden muͤßen,
bei dem ſehr empfindlichen und ſtolzen Juͤngling das
meiſte zu dieſem traurigen Entſchluß gewirkt habe.
Genug, Jeruſalem erſchoß ſich: und nun hatte es
Schwierigkeit mit ſeiner Begraͤbnißſtaͤtte. Der Amt-
mann Buff, ein redlicher Mann, bath den Pfarrer
Pilger um die Erlaubniß, die Leiche des Ungluͤck-
lichen auf den Gottesacker zu begraben: aber der
Pfaffe, der leider in dieſer Sache zu befehlen hatte,
ſah jeden Selbſtmoͤrder als ein Aas an, das eigent-
lich fuͤr den Schinder gehoͤre, und verſagte die Er-
laubniß. Kaum konnte der Graf v. Spauer, der
ſich recht thaͤtlich fuͤr Jeruſalems ehrliche Beerdigung
intereſſirte, ſoviel erhalten, daß der Erblaßte auf
einer Ecke des Gottesackers durfte begraben werden.
Der Paſtor Pilger hat hernach mehreer Predigten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/149>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.