Die fieberhafte Hitze, brav Hefte nachzuschmie- ren, plagt die Gießer Studenten nicht, wenigstens zu meiner Zeit nicht, wenn man die Pandecten- Schüler des Kanzlers Koch ausnimmt. Dieser hielt keinen Studenten für fleißig, welcher die vorgetra- gne Weisheit nicht schriftlich eintrug, oder doch we- nigstens einige Bemerkungen darüber nachschrieb. Auf andern Universitäten hab ich immer rüstige Hef- tenschreiber gefunden; nirgends aber ärger als in Halle. Hier füllen die Studenten viele Quartbände mit akademischer Kollegien-Weisheit an, und schrei- ben oft Dinge nach, welche in dem Kompendium weit besser stehen, als in ihren Heften, oder gar nicht zur Sache gehören. Das macht aber in Gies- sen, daß die Professoren alle über gedruckte Bücher lesen, und durchaus nicht dictiren, und dadurch das Heftesudeln verhindern. Einige Zuhörer mögen wohl auch den Vortrag ihrer Lehrer keiner schriftli- chen Bemerkung werth finden, -- und andern mag es an Vorkenntnissen fehlen, um Spreu von Korn zu unterscheiden.
In Göttingen wird freilich auch nachgeschrieben, aber doch nicht so, wie in Halle. Dies Unwesen
Taufe noch Exorcismus etwas vermögen. -- Hierauf mit Ernst Rüksicht zu nehmen, ist wahrlich mehr Ver- dienst, als mit spanischer Inquisitionswuth auf theolo- gischen Unsinn zu dringen!
Die fieberhafte Hitze, brav Hefte nachzuſchmie- ren, plagt die Gießer Studenten nicht, wenigſtens zu meiner Zeit nicht, wenn man die Pandecten- Schuͤler des Kanzlers Koch ausnimmt. Dieſer hielt keinen Studenten fuͤr fleißig, welcher die vorgetra- gne Weisheit nicht ſchriftlich eintrug, oder doch we- nigſtens einige Bemerkungen daruͤber nachſchrieb. Auf andern Univerſitaͤten hab ich immer ruͤſtige Hef- tenſchreiber gefunden; nirgends aber aͤrger als in Halle. Hier fuͤllen die Studenten viele Quartbaͤnde mit akademiſcher Kollegien-Weisheit an, und ſchrei- ben oft Dinge nach, welche in dem Kompendium weit beſſer ſtehen, als in ihren Heften, oder gar nicht zur Sache gehoͤren. Das macht aber in Gieſ- ſen, daß die Profeſſoren alle uͤber gedruckte Buͤcher leſen, und durchaus nicht dictiren, und dadurch das Hefteſudeln verhindern. Einige Zuhoͤrer moͤgen wohl auch den Vortrag ihrer Lehrer keiner ſchriftli- chen Bemerkung werth finden, — und andern mag es an Vorkenntniſſen fehlen, um Spreu von Korn zu unterſcheiden.
In Goͤttingen wird freilich auch nachgeſchrieben, aber doch nicht ſo, wie in Halle. Dies Unweſen
Taufe noch Exorcismus etwas vermoͤgen. — Hierauf mit Ernſt Ruͤkſicht zu nehmen, iſt wahrlich mehr Ver- dienſt, als mit ſpaniſcher Inquiſitionswuth auf theolo- giſchen Unſinn zu dringen!
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Die fieberhafte Hitze, brav Hefte nachzuſchmie-
ren, plagt die Gießer Studenten nicht, wenigſtens
zu meiner Zeit nicht, wenn man die Pandecten-
Schuͤler des Kanzlers Koch ausnimmt. Dieſer hielt
keinen Studenten fuͤr fleißig, welcher die vorgetra-
gne Weisheit nicht ſchriftlich eintrug, oder doch we-
nigſtens einige Bemerkungen daruͤber nachſchrieb.
Auf andern Univerſitaͤten hab ich immer ruͤſtige Hef-
tenſchreiber gefunden; nirgends aber aͤrger als in
Halle. Hier fuͤllen die Studenten viele Quartbaͤnde
mit akademiſcher Kollegien-Weisheit an, und ſchrei-
ben oft Dinge nach, welche in dem Kompendium
weit beſſer ſtehen, als in ihren Heften, oder gar
nicht zur Sache gehoͤren. Das macht aber in Gieſ-
ſen, daß die Profeſſoren alle uͤber gedruckte Buͤcher
leſen, und durchaus nicht dictiren, und dadurch das
Hefteſudeln verhindern. Einige Zuhoͤrer moͤgen
wohl auch den Vortrag ihrer Lehrer keiner ſchriftli-
chen Bemerkung werth finden, — und andern mag
es an Vorkenntniſſen fehlen, um Spreu von Korn
zu unterſcheiden.
In Goͤttingen wird freilich auch nachgeſchrieben,
aber doch nicht ſo, wie in Halle. Dies Unweſen
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h) Taufe noch Exorcismus etwas vermoͤgen. — Hierauf
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dienſt, als mit ſpaniſcher Inquiſitionswuth auf theolo-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/116>, abgerufen am 24.11.2024.
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