Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

es, in dem Gedränge zu promeniren, und schmach-
tender oder frecher wurde mir in Eile als einem
jungen Mannsbilde allerlei Theilnahme ausgedrückt.
Zuweilen gab es wirklich schöne Geschöpfe darunter,
und der Schließer machte mir stets einen schlechten
Eindruck, wenn er ohne allen Unterschied jegliche
Aeußerung grob zur Ruhe wieß. Freilich war der
Mann abgehärtet; ich sprach ihn zuweilen, und er
sagte stets mit einem Fluche: das Pack taugt all
nichts, erst haben sie sich auf der Straße herum-
getrieben, ach da thun sie unschuldig, wir lassen
sie wieder laufen, dann kommen sie zum zweiten
Male, nun ist's schon schlimmer, und so drei, vier
Mal fort, bis sie zum Zuchthause reif sind, und
die Hübschesten sind immer die Aergsten. -- Es gab
immer eine viertelstündige Unterhaltung -- jetzt gäb's
eine längere -- wenn sie auf den Hof gelassen wur-
den, den ich von meinem Fenster sah; laufen mochte
keine, Frauenzimmer sind nicht für Bewegung; sie
zankten sich um die Schattenplätzchen, auch die Häß-
lichste, dem Gefängniß tief Verlorne, mochte den
Teint nicht aussetzen. Die Alten zerrten, die Jun-
gen neckten, sehr Viele hatten stets ein Töpfchen

es, in dem Gedränge zu promeniren, und ſchmach-
tender oder frecher wurde mir in Eile als einem
jungen Mannsbilde allerlei Theilnahme ausgedrückt.
Zuweilen gab es wirklich ſchöne Geſchöpfe darunter,
und der Schließer machte mir ſtets einen ſchlechten
Eindruck, wenn er ohne allen Unterſchied jegliche
Aeußerung grob zur Ruhe wieß. Freilich war der
Mann abgehärtet; ich ſprach ihn zuweilen, und er
ſagte ſtets mit einem Fluche: das Pack taugt all
nichts, erſt haben ſie ſich auf der Straße herum-
getrieben, ach da thun ſie unſchuldig, wir laſſen
ſie wieder laufen, dann kommen ſie zum zweiten
Male, nun iſt’s ſchon ſchlimmer, und ſo drei, vier
Mal fort, bis ſie zum Zuchthauſe reif ſind, und
die Hübſcheſten ſind immer die Aergſten. — Es gab
immer eine viertelſtündige Unterhaltung — jetzt gäb’s
eine längere — wenn ſie auf den Hof gelaſſen wur-
den, den ich von meinem Fenſter ſah; laufen mochte
keine, Frauenzimmer ſind nicht für Bewegung; ſie
zankten ſich um die Schattenplätzchen, auch die Häß-
lichſte, dem Gefängniß tief Verlorne, mochte den
Teint nicht ausſetzen. Die Alten zerrten, die Jun-
gen neckten, ſehr Viele hatten ſtets ein Töpfchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0096" n="88"/>
es, in dem Gedränge zu promeniren, und &#x017F;chmach-<lb/>
tender oder frecher wurde mir in Eile als einem<lb/>
jungen Mannsbilde allerlei Theilnahme ausgedrückt.<lb/>
Zuweilen gab es wirklich &#x017F;chöne Ge&#x017F;chöpfe darunter,<lb/>
und der Schließer machte mir &#x017F;tets einen &#x017F;chlechten<lb/>
Eindruck, wenn er ohne allen Unter&#x017F;chied jegliche<lb/>
Aeußerung grob zur Ruhe wieß. Freilich war der<lb/>
Mann abgehärtet; ich &#x017F;prach ihn zuweilen, und er<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;tets mit einem Fluche: das Pack taugt all<lb/>
nichts, er&#x017F;t haben &#x017F;ie &#x017F;ich auf der Straße herum-<lb/>
getrieben, ach da thun &#x017F;ie un&#x017F;chuldig, wir la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie wieder laufen, dann kommen &#x017F;ie zum zweiten<lb/>
Male, nun i&#x017F;t&#x2019;s &#x017F;chon &#x017F;chlimmer, und &#x017F;o drei, vier<lb/>
Mal fort, bis &#x017F;ie zum Zuchthau&#x017F;e reif &#x017F;ind, und<lb/>
die Hüb&#x017F;che&#x017F;ten &#x017F;ind immer die Aerg&#x017F;ten. &#x2014; Es gab<lb/>
immer eine viertel&#x017F;tündige Unterhaltung &#x2014; jetzt gäb&#x2019;s<lb/>
eine längere &#x2014; wenn &#x017F;ie auf den Hof gela&#x017F;&#x017F;en wur-<lb/>
den, den ich von meinem Fen&#x017F;ter &#x017F;ah; laufen mochte<lb/>
keine, Frauenzimmer &#x017F;ind nicht für Bewegung; &#x017F;ie<lb/>
zankten &#x017F;ich um die Schattenplätzchen, auch die Häß-<lb/>
lich&#x017F;te, dem Gefängniß tief Verlorne, mochte den<lb/>
Teint nicht aus&#x017F;etzen. Die Alten zerrten, die Jun-<lb/>
gen neckten, &#x017F;ehr Viele hatten &#x017F;tets ein Töpfchen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0096] es, in dem Gedränge zu promeniren, und ſchmach- tender oder frecher wurde mir in Eile als einem jungen Mannsbilde allerlei Theilnahme ausgedrückt. Zuweilen gab es wirklich ſchöne Geſchöpfe darunter, und der Schließer machte mir ſtets einen ſchlechten Eindruck, wenn er ohne allen Unterſchied jegliche Aeußerung grob zur Ruhe wieß. Freilich war der Mann abgehärtet; ich ſprach ihn zuweilen, und er ſagte ſtets mit einem Fluche: das Pack taugt all nichts, erſt haben ſie ſich auf der Straße herum- getrieben, ach da thun ſie unſchuldig, wir laſſen ſie wieder laufen, dann kommen ſie zum zweiten Male, nun iſt’s ſchon ſchlimmer, und ſo drei, vier Mal fort, bis ſie zum Zuchthauſe reif ſind, und die Hübſcheſten ſind immer die Aergſten. — Es gab immer eine viertelſtündige Unterhaltung — jetzt gäb’s eine längere — wenn ſie auf den Hof gelaſſen wur- den, den ich von meinem Fenſter ſah; laufen mochte keine, Frauenzimmer ſind nicht für Bewegung; ſie zankten ſich um die Schattenplätzchen, auch die Häß- lichſte, dem Gefängniß tief Verlorne, mochte den Teint nicht ausſetzen. Die Alten zerrten, die Jun- gen neckten, ſehr Viele hatten ſtets ein Töpfchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/96
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/96>, abgerufen am 26.11.2024.