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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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konnte. Er klammerte sich aber so fest, daß ich
das Gleichgewicht verlor und mit hinab stürzte.

Die kalte Woge verschlang und bedeckte uns;
hier unter der Wasserdecke mußte ich mich noch zu
ein paar verzweifelten Stößen aufraffen, um mich
der stets noch festhaltenden Klaue des ergrimmten
Jtalieners zu erwehren. Der Strom riß uns nun
auseinander, ich kam an die Luft und wußte nicht,
wo Küsten- wo Meerseits war, da der Nebel nichts
sehen ließ, aber die landwärts kommende Welle warf
mich, den mit einem Arm Rudernden, glücklich an
den Strand. Wie es den Schuften ergangen ist,
weiß ich nicht, ich blickte nicht um, sondern stürzte
fort, um Margariten's Versteck zu suchen; der Meeres-
frost schüttelte mich, warm quoll das Blut aus der
Armwunde.

Ein anständiger Mensch mußte sich erst umklei-
den, den Chirurgus rufen, und nach dem Mantel-
sacke sehn, welchen der Matrose geschleppt hatte;
unterdeß wäre eine der Ratten wieder an's Land
gekrochen und hätte Margariten bei Seite gebracht.

Sie empfing mich mit einer Freude über mein
Erscheinen, als ob des Menschen guter Engel plötz-

konnte. Er klammerte ſich aber ſo feſt, daß ich
das Gleichgewicht verlor und mit hinab ſtürzte.

Die kalte Woge verſchlang und bedeckte uns;
hier unter der Waſſerdecke mußte ich mich noch zu
ein paar verzweifelten Stößen aufraffen, um mich
der ſtets noch feſthaltenden Klaue des ergrimmten
Jtalieners zu erwehren. Der Strom riß uns nun
auseinander, ich kam an die Luft und wußte nicht,
wo Küſten- wo Meerſeits war, da der Nebel nichts
ſehen ließ, aber die landwärts kommende Welle warf
mich, den mit einem Arm Rudernden, glücklich an
den Strand. Wie es den Schuften ergangen iſt,
weiß ich nicht, ich blickte nicht um, ſondern ſtürzte
fort, um Margariten’s Verſteck zu ſuchen; der Meeres-
froſt ſchüttelte mich, warm quoll das Blut aus der
Armwunde.

Ein anſtändiger Menſch mußte ſich erſt umklei-
den, den Chirurgus rufen, und nach dem Mantel-
ſacke ſehn, welchen der Matroſe geſchleppt hatte;
unterdeß wäre eine der Ratten wieder an’s Land
gekrochen und hätte Margariten bei Seite gebracht.

Sie empfing mich mit einer Freude über mein
Erſcheinen, als ob des Menſchen guter Engel plötz-

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[62/0070] konnte. Er klammerte ſich aber ſo feſt, daß ich das Gleichgewicht verlor und mit hinab ſtürzte. Die kalte Woge verſchlang und bedeckte uns; hier unter der Waſſerdecke mußte ich mich noch zu ein paar verzweifelten Stößen aufraffen, um mich der ſtets noch feſthaltenden Klaue des ergrimmten Jtalieners zu erwehren. Der Strom riß uns nun auseinander, ich kam an die Luft und wußte nicht, wo Küſten- wo Meerſeits war, da der Nebel nichts ſehen ließ, aber die landwärts kommende Welle warf mich, den mit einem Arm Rudernden, glücklich an den Strand. Wie es den Schuften ergangen iſt, weiß ich nicht, ich blickte nicht um, ſondern ſtürzte fort, um Margariten’s Verſteck zu ſuchen; der Meeres- froſt ſchüttelte mich, warm quoll das Blut aus der Armwunde. Ein anſtändiger Menſch mußte ſich erſt umklei- den, den Chirurgus rufen, und nach dem Mantel- ſacke ſehn, welchen der Matroſe geſchleppt hatte; unterdeß wäre eine der Ratten wieder an’s Land gekrochen und hätte Margariten bei Seite gebracht. Sie empfing mich mit einer Freude über mein Erſcheinen, als ob des Menſchen guter Engel plötz-

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/70>, abgerufen am 24.11.2024.