Als ich an jenem "morgen" zu Wälen's kam, fand ich die schöne Frau vom Hause allein im Salon; es war ein sonniger Herbstnachmittag, Margarita war im Garten, Herr van Wälen auf dem Kaffeehause. Sie winkte mir beredsam mit den großen Augen, und wir stiegen die Treppe hin- auf, gingen durch die prächtigen Gemächer des Vor- derhauses, und rasteten in einem schönen Eckzimmer. Zwei große, üppige Gemälde der flamändischen Schule lachten von der silberweiß tapezirten Wand, der Sonnenschein blitzte nur in einzelnen Ritzen durch die geschlossenen grünen Jalousieen.
Hier zeigte sie mir eine unbemerkbare Tapeten- thür, welche auf einen Korridor des Nebenhauses führt, gab mir die nöthigen Jnstruktionen, und verhieß mir zum Abende den Schlüssel, welcher das unbewohnte Nebenhaus und die Thür des Korridors öffne. Wie einst die Burgherrn zu ihren Schlössern, so haben heute die lebelustigen Weiber verborgene Gänge und Thüren.
Sie war offenherzig und von reizender Jnnig- keit, und vertraute mir unter Anderm, daß Tallon früher umsonst lebhaft nach ihrer Gunst gestrebt,
Als ich an jenem „morgen“ zu Wälen’s kam, fand ich die ſchöne Frau vom Hauſe allein im Salon; es war ein ſonniger Herbſtnachmittag, Margarita war im Garten, Herr van Wälen auf dem Kaffeehauſe. Sie winkte mir beredſam mit den großen Augen, und wir ſtiegen die Treppe hin- auf, gingen durch die prächtigen Gemächer des Vor- derhauſes, und raſteten in einem ſchönen Eckzimmer. Zwei große, üppige Gemälde der flamändiſchen Schule lachten von der ſilberweiß tapezirten Wand, der Sonnenſchein blitzte nur in einzelnen Ritzen durch die geſchloſſenen grünen Jalouſieen.
Hier zeigte ſie mir eine unbemerkbare Tapeten- thür, welche auf einen Korridor des Nebenhauſes führt, gab mir die nöthigen Jnſtruktionen, und verhieß mir zum Abende den Schlüſſel, welcher das unbewohnte Nebenhaus und die Thür des Korridors öffne. Wie einſt die Burgherrn zu ihren Schlöſſern, ſo haben heute die lebeluſtigen Weiber verborgene Gänge und Thüren.
Sie war offenherzig und von reizender Jnnig- keit, und vertraute mir unter Anderm, daß Tallon früher umſonſt lebhaft nach ihrer Gunſt geſtrebt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0063"n="55"/><p>Als ich an jenem „morgen“ zu Wälen’s<lb/>
kam, fand ich die ſchöne Frau vom Hauſe allein<lb/>
im Salon; es war ein ſonniger Herbſtnachmittag,<lb/>
Margarita war im Garten, Herr van Wälen auf<lb/>
dem Kaffeehauſe. Sie winkte mir beredſam mit<lb/>
den großen Augen, und wir ſtiegen die Treppe hin-<lb/>
auf, gingen durch die prächtigen Gemächer des Vor-<lb/>
derhauſes, und raſteten in einem ſchönen Eckzimmer.<lb/>
Zwei große, üppige Gemälde der flamändiſchen<lb/>
Schule lachten von der ſilberweiß tapezirten Wand,<lb/>
der Sonnenſchein blitzte nur in einzelnen Ritzen<lb/>
durch die geſchloſſenen grünen Jalouſieen.</p><lb/><p>Hier zeigte ſie mir eine unbemerkbare Tapeten-<lb/>
thür, welche auf einen Korridor des Nebenhauſes<lb/>
führt, gab mir die nöthigen Jnſtruktionen, und<lb/>
verhieß mir zum Abende den Schlüſſel, welcher das<lb/>
unbewohnte Nebenhaus und die Thür des Korridors<lb/>
öffne. Wie einſt die Burgherrn zu ihren Schlöſſern,<lb/>ſo haben heute die lebeluſtigen Weiber verborgene<lb/>
Gänge und Thüren.</p><lb/><p>Sie war offenherzig und von reizender Jnnig-<lb/>
keit, und vertraute mir unter Anderm, daß Tallon<lb/>
früher umſonſt lebhaft nach ihrer Gunſt geſtrebt,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[55/0063]
Als ich an jenem „morgen“ zu Wälen’s
kam, fand ich die ſchöne Frau vom Hauſe allein
im Salon; es war ein ſonniger Herbſtnachmittag,
Margarita war im Garten, Herr van Wälen auf
dem Kaffeehauſe. Sie winkte mir beredſam mit
den großen Augen, und wir ſtiegen die Treppe hin-
auf, gingen durch die prächtigen Gemächer des Vor-
derhauſes, und raſteten in einem ſchönen Eckzimmer.
Zwei große, üppige Gemälde der flamändiſchen
Schule lachten von der ſilberweiß tapezirten Wand,
der Sonnenſchein blitzte nur in einzelnen Ritzen
durch die geſchloſſenen grünen Jalouſieen.
Hier zeigte ſie mir eine unbemerkbare Tapeten-
thür, welche auf einen Korridor des Nebenhauſes
führt, gab mir die nöthigen Jnſtruktionen, und
verhieß mir zum Abende den Schlüſſel, welcher das
unbewohnte Nebenhaus und die Thür des Korridors
öffne. Wie einſt die Burgherrn zu ihren Schlöſſern,
ſo haben heute die lebeluſtigen Weiber verborgene
Gänge und Thüren.
Sie war offenherzig und von reizender Jnnig-
keit, und vertraute mir unter Anderm, daß Tallon
früher umſonſt lebhaft nach ihrer Gunſt geſtrebt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/63>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.