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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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Als ich an jenem "morgen" zu Wälen's
kam, fand ich die schöne Frau vom Hause allein
im Salon; es war ein sonniger Herbstnachmittag,
Margarita war im Garten, Herr van Wälen auf
dem Kaffeehause. Sie winkte mir beredsam mit
den großen Augen, und wir stiegen die Treppe hin-
auf, gingen durch die prächtigen Gemächer des Vor-
derhauses, und rasteten in einem schönen Eckzimmer.
Zwei große, üppige Gemälde der flamändischen
Schule lachten von der silberweiß tapezirten Wand,
der Sonnenschein blitzte nur in einzelnen Ritzen
durch die geschlossenen grünen Jalousieen.

Hier zeigte sie mir eine unbemerkbare Tapeten-
thür, welche auf einen Korridor des Nebenhauses
führt, gab mir die nöthigen Jnstruktionen, und
verhieß mir zum Abende den Schlüssel, welcher das
unbewohnte Nebenhaus und die Thür des Korridors
öffne. Wie einst die Burgherrn zu ihren Schlössern,
so haben heute die lebelustigen Weiber verborgene
Gänge und Thüren.

Sie war offenherzig und von reizender Jnnig-
keit, und vertraute mir unter Anderm, daß Tallon
früher umsonst lebhaft nach ihrer Gunst gestrebt,

Als ich an jenem „morgen“ zu Wälen’s
kam, fand ich die ſchöne Frau vom Hauſe allein
im Salon; es war ein ſonniger Herbſtnachmittag,
Margarita war im Garten, Herr van Wälen auf
dem Kaffeehauſe. Sie winkte mir beredſam mit
den großen Augen, und wir ſtiegen die Treppe hin-
auf, gingen durch die prächtigen Gemächer des Vor-
derhauſes, und raſteten in einem ſchönen Eckzimmer.
Zwei große, üppige Gemälde der flamändiſchen
Schule lachten von der ſilberweiß tapezirten Wand,
der Sonnenſchein blitzte nur in einzelnen Ritzen
durch die geſchloſſenen grünen Jalouſieen.

Hier zeigte ſie mir eine unbemerkbare Tapeten-
thür, welche auf einen Korridor des Nebenhauſes
führt, gab mir die nöthigen Jnſtruktionen, und
verhieß mir zum Abende den Schlüſſel, welcher das
unbewohnte Nebenhaus und die Thür des Korridors
öffne. Wie einſt die Burgherrn zu ihren Schlöſſern,
ſo haben heute die lebeluſtigen Weiber verborgene
Gänge und Thüren.

Sie war offenherzig und von reizender Jnnig-
keit, und vertraute mir unter Anderm, daß Tallon
früher umſonſt lebhaft nach ihrer Gunſt geſtrebt,

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[55/0063] Als ich an jenem „morgen“ zu Wälen’s kam, fand ich die ſchöne Frau vom Hauſe allein im Salon; es war ein ſonniger Herbſtnachmittag, Margarita war im Garten, Herr van Wälen auf dem Kaffeehauſe. Sie winkte mir beredſam mit den großen Augen, und wir ſtiegen die Treppe hin- auf, gingen durch die prächtigen Gemächer des Vor- derhauſes, und raſteten in einem ſchönen Eckzimmer. Zwei große, üppige Gemälde der flamändiſchen Schule lachten von der ſilberweiß tapezirten Wand, der Sonnenſchein blitzte nur in einzelnen Ritzen durch die geſchloſſenen grünen Jalouſieen. Hier zeigte ſie mir eine unbemerkbare Tapeten- thür, welche auf einen Korridor des Nebenhauſes führt, gab mir die nöthigen Jnſtruktionen, und verhieß mir zum Abende den Schlüſſel, welcher das unbewohnte Nebenhaus und die Thür des Korridors öffne. Wie einſt die Burgherrn zu ihren Schlöſſern, ſo haben heute die lebeluſtigen Weiber verborgene Gänge und Thüren. Sie war offenherzig und von reizender Jnnig- keit, und vertraute mir unter Anderm, daß Tallon früher umſonſt lebhaft nach ihrer Gunſt geſtrebt,

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/63>, abgerufen am 23.11.2024.