Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

meinen Armen. Aber jene braune, weltstürmende
Kraft ist durch Juliens Widerstand gebrochen, ich
weiß nicht, ob sie mir noch einmal in ihrer alten
Macht und Fülle wieder kommen wird, und der
elegische weiße Teint ist jetzt mächtig über den schwa-
chen Hippolyt. Margarethens Haupt ist durchsichtig
wie ein heitrer Abendhimmel, ich sehe den kleinsten
Gedanken in ihren Adern hüpfen, und dies klare
griechische Antlitz liegt wie ein aufgeschlagenes Buch
vor mir. Jhr Haar ist -- ja, wenn ich das ein-
fache, platte Wort hinschreibe, so erschrickst Du und
die Jllusion ist Dir zerstört, die Leute haben sich
eingebildet, rothes Haar sei ein für allemal garstig.
Die guten Leute! Brandrothes, schattenloses Haar
ist allerdings widerwärtig, es verödet das Gesicht.
Aber Margarethens Locken, dichte, glänzende Locken,
sind aus Gold- und Kastanienbraun so schimmernd
gemischt, daß ich nie etwas Schöneres gesehen zu
haben glaube. Das farblose, matte Blond ist durch
die Tiefe der Goldfarbe völlig vernichtet, und das
Schattige des Kastanienrothen, die dunklen Augen-
brauen heben das weißeste Antlitz überaus. Es bleibt
ein merkwürdig Spiel der Natur, daß sie das Tem-

meinen Armen. Aber jene braune, weltſtürmende
Kraft iſt durch Juliens Widerſtand gebrochen, ich
weiß nicht, ob ſie mir noch einmal in ihrer alten
Macht und Fülle wieder kommen wird, und der
elegiſche weiße Teint iſt jetzt mächtig über den ſchwa-
chen Hippolyt. Margarethens Haupt iſt durchſichtig
wie ein heitrer Abendhimmel, ich ſehe den kleinſten
Gedanken in ihren Adern hüpfen, und dies klare
griechiſche Antlitz liegt wie ein aufgeſchlagenes Buch
vor mir. Jhr Haar iſt — ja, wenn ich das ein-
fache, platte Wort hinſchreibe, ſo erſchrickſt Du und
die Jlluſion iſt Dir zerſtört, die Leute haben ſich
eingebildet, rothes Haar ſei ein für allemal garſtig.
Die guten Leute! Brandrothes, ſchattenloſes Haar
iſt allerdings widerwärtig, es verödet das Geſicht.
Aber Margarethens Locken, dichte, glänzende Locken,
ſind aus Gold- und Kaſtanienbraun ſo ſchimmernd
gemiſcht, daß ich nie etwas Schöneres geſehen zu
haben glaube. Das farbloſe, matte Blond iſt durch
die Tiefe der Goldfarbe völlig vernichtet, und das
Schattige des Kaſtanienrothen, die dunklen Augen-
brauen heben das weißeſte Antlitz überaus. Es bleibt
ein merkwürdig Spiel der Natur, daß ſie das Tem-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0054" n="46"/>
meinen Armen. Aber jene braune, welt&#x017F;türmende<lb/>
Kraft i&#x017F;t durch Juliens Wider&#x017F;tand gebrochen, ich<lb/>
weiß nicht, ob &#x017F;ie mir noch einmal in ihrer alten<lb/>
Macht und Fülle wieder kommen wird, und der<lb/>
elegi&#x017F;che weiße Teint i&#x017F;t jetzt mächtig über den &#x017F;chwa-<lb/>
chen Hippolyt. Margarethens Haupt i&#x017F;t durch&#x017F;ichtig<lb/>
wie ein heitrer Abendhimmel, ich &#x017F;ehe den klein&#x017F;ten<lb/>
Gedanken in ihren Adern hüpfen, und dies klare<lb/>
griechi&#x017F;che Antlitz liegt wie ein aufge&#x017F;chlagenes Buch<lb/>
vor mir. Jhr Haar i&#x017F;t &#x2014; ja, wenn ich das ein-<lb/>
fache, platte Wort hin&#x017F;chreibe, &#x017F;o er&#x017F;chrick&#x017F;t Du und<lb/>
die Jllu&#x017F;ion i&#x017F;t Dir zer&#x017F;tört, die Leute haben &#x017F;ich<lb/>
eingebildet, rothes Haar &#x017F;ei ein für allemal gar&#x017F;tig.<lb/>
Die guten Leute! Brandrothes, &#x017F;chattenlo&#x017F;es Haar<lb/>
i&#x017F;t allerdings widerwärtig, es verödet das Ge&#x017F;icht.<lb/>
Aber Margarethens Locken, dichte, glänzende Locken,<lb/>
&#x017F;ind aus Gold- und Ka&#x017F;tanienbraun &#x017F;o &#x017F;chimmernd<lb/>
gemi&#x017F;cht, daß ich nie etwas Schöneres ge&#x017F;ehen zu<lb/>
haben glaube. Das farblo&#x017F;e, matte Blond i&#x017F;t durch<lb/>
die Tiefe der Goldfarbe völlig vernichtet, und das<lb/>
Schattige des Ka&#x017F;tanienrothen, die dunklen Augen-<lb/>
brauen heben das weiße&#x017F;te Antlitz überaus. Es bleibt<lb/>
ein merkwürdig Spiel der Natur, daß &#x017F;ie das Tem-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0054] meinen Armen. Aber jene braune, weltſtürmende Kraft iſt durch Juliens Widerſtand gebrochen, ich weiß nicht, ob ſie mir noch einmal in ihrer alten Macht und Fülle wieder kommen wird, und der elegiſche weiße Teint iſt jetzt mächtig über den ſchwa- chen Hippolyt. Margarethens Haupt iſt durchſichtig wie ein heitrer Abendhimmel, ich ſehe den kleinſten Gedanken in ihren Adern hüpfen, und dies klare griechiſche Antlitz liegt wie ein aufgeſchlagenes Buch vor mir. Jhr Haar iſt — ja, wenn ich das ein- fache, platte Wort hinſchreibe, ſo erſchrickſt Du und die Jlluſion iſt Dir zerſtört, die Leute haben ſich eingebildet, rothes Haar ſei ein für allemal garſtig. Die guten Leute! Brandrothes, ſchattenloſes Haar iſt allerdings widerwärtig, es verödet das Geſicht. Aber Margarethens Locken, dichte, glänzende Locken, ſind aus Gold- und Kaſtanienbraun ſo ſchimmernd gemiſcht, daß ich nie etwas Schöneres geſehen zu haben glaube. Das farbloſe, matte Blond iſt durch die Tiefe der Goldfarbe völlig vernichtet, und das Schattige des Kaſtanienrothen, die dunklen Augen- brauen heben das weißeſte Antlitz überaus. Es bleibt ein merkwürdig Spiel der Natur, daß ſie das Tem-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/54
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/54>, abgerufen am 22.11.2024.