Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

unserm Horizonte, und ich glaube manchmal, über
kurz oder lang ist das Gewitter da, und der Blitz-
strahl, dem nichts entrinnen kann, fährt hernieder.
Jch habe so viel teutsche Gewohnheit bei Euch an-
genommen, daß ich diesen unbestimmten Dämmer-
zustand bereits liebe, wie wenig er auch sonst zu
meinem Wesen stimmt, was die Mittelzustände gern
überspringen mag. Es sind kleine niedrige Lehn-
stühle nach veralteter Form, welche im Salon benutzt
werden. Aber es sitzt sich teutsch behaglich auf den
rothsammtnen Polstern, und ich saß wie ein wohliger
Glückspilz am Theetische zwischen den Frauen, ließ
Leopold die Mutter unterhalten und erzählte der
Tochter Mährchen und Geschichten. Wenn ich mich
so recht stark und kräftig fühle, so wild und kata-
lonisch, wie Du's manchmal nanntest, so daß ich
den Herrgott herausfordern möchte, die Erde auf
meine Hand zu legen; denn gebe ich dem dunkeln,
ja dem farbigen Teint des Weibes den Vorzug, dann
erscheint mir das nördlich-europäische Weiß schwäch-
lich und krankhaft, ich bilde mir ein, solch ein weißes,
blasses Geschöpf hat keinen Gegendruck, keinen Wider-
stand für meine Kraft, es müsse zerbrechen unter

unſerm Horizonte, und ich glaube manchmal, über
kurz oder lang iſt das Gewitter da, und der Blitz-
ſtrahl, dem nichts entrinnen kann, fährt hernieder.
Jch habe ſo viel teutſche Gewohnheit bei Euch an-
genommen, daß ich dieſen unbeſtimmten Dämmer-
zuſtand bereits liebe, wie wenig er auch ſonſt zu
meinem Weſen ſtimmt, was die Mittelzuſtände gern
überſpringen mag. Es ſind kleine niedrige Lehn-
ſtühle nach veralteter Form, welche im Salon benutzt
werden. Aber es ſitzt ſich teutſch behaglich auf den
rothſammtnen Polſtern, und ich ſaß wie ein wohliger
Glückspilz am Theetiſche zwiſchen den Frauen, ließ
Leopold die Mutter unterhalten und erzählte der
Tochter Mährchen und Geſchichten. Wenn ich mich
ſo recht ſtark und kräftig fühle, ſo wild und kata-
loniſch, wie Du’s manchmal nannteſt, ſo daß ich
den Herrgott herausfordern möchte, die Erde auf
meine Hand zu legen; denn gebe ich dem dunkeln,
ja dem farbigen Teint des Weibes den Vorzug, dann
erſcheint mir das nördlich-europäiſche Weiß ſchwäch-
lich und krankhaft, ich bilde mir ein, ſolch ein weißes,
blaſſes Geſchöpf hat keinen Gegendruck, keinen Wider-
ſtand für meine Kraft, es müſſe zerbrechen unter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0053" n="45"/>
un&#x017F;erm Horizonte, und ich glaube manchmal, über<lb/>
kurz oder lang i&#x017F;t das Gewitter da, und der Blitz-<lb/>
&#x017F;trahl, dem nichts entrinnen kann, fährt hernieder.<lb/>
Jch habe &#x017F;o viel teut&#x017F;che Gewohnheit bei Euch an-<lb/>
genommen, daß ich die&#x017F;en unbe&#x017F;timmten Dämmer-<lb/>
zu&#x017F;tand bereits liebe, wie wenig er auch &#x017F;on&#x017F;t zu<lb/>
meinem We&#x017F;en &#x017F;timmt, was die Mittelzu&#x017F;tände gern<lb/>
über&#x017F;pringen mag. Es &#x017F;ind kleine niedrige Lehn-<lb/>
&#x017F;tühle nach veralteter Form, welche im Salon benutzt<lb/>
werden. Aber es &#x017F;itzt &#x017F;ich teut&#x017F;ch behaglich auf den<lb/>
roth&#x017F;ammtnen Pol&#x017F;tern, und ich &#x017F;aß wie ein wohliger<lb/>
Glückspilz am Theeti&#x017F;che zwi&#x017F;chen den Frauen, ließ<lb/>
Leopold die Mutter unterhalten und erzählte der<lb/>
Tochter Mährchen und Ge&#x017F;chichten. Wenn ich mich<lb/>
&#x017F;o recht &#x017F;tark und kräftig fühle, &#x017F;o wild und kata-<lb/>
loni&#x017F;ch, wie Du&#x2019;s manchmal nannte&#x017F;t, &#x017F;o daß ich<lb/>
den Herrgott herausfordern möchte, die Erde auf<lb/>
meine Hand zu legen; denn gebe ich dem dunkeln,<lb/>
ja dem farbigen Teint des Weibes den Vorzug, dann<lb/>
er&#x017F;cheint mir das nördlich-europäi&#x017F;che Weiß &#x017F;chwäch-<lb/>
lich und krankhaft, ich bilde mir ein, &#x017F;olch ein weißes,<lb/>
bla&#x017F;&#x017F;es Ge&#x017F;chöpf hat keinen Gegendruck, keinen Wider-<lb/>
&#x017F;tand für meine Kraft, es mü&#x017F;&#x017F;e zerbrechen unter<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0053] unſerm Horizonte, und ich glaube manchmal, über kurz oder lang iſt das Gewitter da, und der Blitz- ſtrahl, dem nichts entrinnen kann, fährt hernieder. Jch habe ſo viel teutſche Gewohnheit bei Euch an- genommen, daß ich dieſen unbeſtimmten Dämmer- zuſtand bereits liebe, wie wenig er auch ſonſt zu meinem Weſen ſtimmt, was die Mittelzuſtände gern überſpringen mag. Es ſind kleine niedrige Lehn- ſtühle nach veralteter Form, welche im Salon benutzt werden. Aber es ſitzt ſich teutſch behaglich auf den rothſammtnen Polſtern, und ich ſaß wie ein wohliger Glückspilz am Theetiſche zwiſchen den Frauen, ließ Leopold die Mutter unterhalten und erzählte der Tochter Mährchen und Geſchichten. Wenn ich mich ſo recht ſtark und kräftig fühle, ſo wild und kata- loniſch, wie Du’s manchmal nannteſt, ſo daß ich den Herrgott herausfordern möchte, die Erde auf meine Hand zu legen; denn gebe ich dem dunkeln, ja dem farbigen Teint des Weibes den Vorzug, dann erſcheint mir das nördlich-europäiſche Weiß ſchwäch- lich und krankhaft, ich bilde mir ein, ſolch ein weißes, blaſſes Geſchöpf hat keinen Gegendruck, keinen Wider- ſtand für meine Kraft, es müſſe zerbrechen unter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/53
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/53>, abgerufen am 25.11.2024.