der Empfindung bei Tage und bei Nacht, dies Frische, Wogende, dies Heiß und Kalte, diese Ueber- raschung unsrer selbst, dies weit aufgehende, bis zu Thränen aufgehende Herz, der ganze Rausch eines stets interessirten Gemüthes, alles, alles dies, es ist dahin!
Der rauhe Wind des Meeres, die dumpfige Luft des Kerkers, sie haben das Herz verhärtet und verdumpft, ich muß mühsam erhalten, was sich gerettet hat, muß mich in's Kleine ziehn, um aus- zukommen. Warme Thränen fließen mir seit lan- ger Zeit auf das Papier, ich weine sie unserm Genie, was sich aufgebröckelt hat an einer feindli- chen Welt. --
-- Das ist die Welt, sie führt Alles zum Tode, sie gab uns das Lächeln, es thut mir wohl. Bin überhaupt viel glücklicher, mein alter Kumpan, als dieser Brief ausdrückt, ich kann mich nur des Ge- dankens nicht erwehren, daß es der letzte sei, den ich an Dich schreibe. Ueber das weite Weltmeer bist Du in blut'gem Groll von uns geschieden -- man schlägt keine Brücke da hinüber.
der Empfindung bei Tage und bei Nacht, dies Friſche, Wogende, dies Heiß und Kalte, dieſe Ueber- raſchung unſrer ſelbſt, dies weit aufgehende, bis zu Thränen aufgehende Herz, der ganze Rauſch eines ſtets intereſſirten Gemüthes, alles, alles dies, es iſt dahin!
Der rauhe Wind des Meeres, die dumpfige Luft des Kerkers, ſie haben das Herz verhärtet und verdumpft, ich muß mühſam erhalten, was ſich gerettet hat, muß mich in’s Kleine ziehn, um aus- zukommen. Warme Thränen fließen mir ſeit lan- ger Zeit auf das Papier, ich weine ſie unſerm Genie, was ſich aufgebröckelt hat an einer feindli- chen Welt. —
— Das iſt die Welt, ſie führt Alles zum Tode, ſie gab uns das Lächeln, es thut mir wohl. Bin überhaupt viel glücklicher, mein alter Kumpan, als dieſer Brief ausdrückt, ich kann mich nur des Ge- dankens nicht erwehren, daß es der letzte ſei, den ich an Dich ſchreibe. Ueber das weite Weltmeer biſt Du in blut’gem Groll von uns geſchieden — man ſchlägt keine Brücke da hinüber.
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der Empfindung bei Tage und bei Nacht, dies
Friſche, Wogende, dies Heiß und Kalte, dieſe Ueber-
raſchung unſrer ſelbſt, dies weit aufgehende, bis zu
Thränen aufgehende Herz, der ganze Rauſch eines
ſtets intereſſirten Gemüthes, alles, alles dies, es
iſt dahin!
Der rauhe Wind des Meeres, die dumpfige
Luft des Kerkers, ſie haben das Herz verhärtet und
verdumpft, ich muß mühſam erhalten, was ſich
gerettet hat, muß mich in’s Kleine ziehn, um aus-
zukommen. Warme Thränen fließen mir ſeit lan-
ger Zeit auf das Papier, ich weine ſie unſerm
Genie, was ſich aufgebröckelt hat an einer feindli-
chen Welt. —
— Das iſt die Welt, ſie führt Alles zum Tode,
ſie gab uns das Lächeln, es thut mir wohl. Bin
überhaupt viel glücklicher, mein alter Kumpan, als
dieſer Brief ausdrückt, ich kann mich nur des Ge-
dankens nicht erwehren, daß es der letzte ſei, den ich
an Dich ſchreibe. Ueber das weite Weltmeer biſt
Du in blut’gem Groll von uns geſchieden — man
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/287>, abgerufen am 25.11.2024.
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