Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

und Theresen sei, erinnerst Du Dich, daß er flieht?
Mag sein, daß Andere anders empfinden, daß alles
Aehnliche nur ein Civilisationsgefühl ist; aber es
will als solches geachtet sein, die Civilisation muß
Dich erschlagen, und wenn's sie es nicht thut, so
werden's die Rothhäute Amerika's thun, denn auch
sie sind eine Gesellschaft. Wo zwei Geschöpfe neben
einander treten, da entsteht ein Verhältniß, und
ein Verhältniß braucht ein Gesetz.

Jch bin traurig bewegt. Hippolyt, Du bist der
letzte, an dem meine Geschichte, mein Herz, mein
Geist hängt, Alles, neben dem ich geworden, ist
zerplündert, verwüstet: Constantin erstarrte und
schied, William, der uns nie mit Wärme nah'
getreten war, ist im kalten Hochmuthe ein einsei-
tiger, unbedeutender Herr geworden, in welchem
gar keine Welt sich entwickelt hat, Leopold blieb
was er war, ward, was er werden mußte, ein
Narr, sein Ende wird im Spitale sein, Joel, das
schöne Herz, schachert, weil es die grausame Welt
so haben will, die Weiber sind gestorben, verdor-
ben, zerknickt, Du kämpfest den letzten Verzweif-
lungskampf mit Leben und Tod -- ich allein habe

und Thereſen ſei, erinnerſt Du Dich, daß er flieht?
Mag ſein, daß Andere anders empfinden, daß alles
Aehnliche nur ein Civiliſationsgefühl iſt; aber es
will als ſolches geachtet ſein, die Civiliſation muß
Dich erſchlagen, und wenn’s ſie es nicht thut, ſo
werden’s die Rothhäute Amerika’s thun, denn auch
ſie ſind eine Geſellſchaft. Wo zwei Geſchöpfe neben
einander treten, da entſteht ein Verhältniß, und
ein Verhältniß braucht ein Geſetz.

Jch bin traurig bewegt. Hippolyt, Du biſt der
letzte, an dem meine Geſchichte, mein Herz, mein
Geiſt hängt, Alles, neben dem ich geworden, iſt
zerplündert, verwüſtet: Conſtantin erſtarrte und
ſchied, William, der uns nie mit Wärme nah’
getreten war, iſt im kalten Hochmuthe ein einſei-
tiger, unbedeutender Herr geworden, in welchem
gar keine Welt ſich entwickelt hat, Leopold blieb
was er war, ward, was er werden mußte, ein
Narr, ſein Ende wird im Spitale ſein, Joel, das
ſchöne Herz, ſchachert, weil es die grauſame Welt
ſo haben will, die Weiber ſind geſtorben, verdor-
ben, zerknickt, Du kämpfeſt den letzten Verzweif-
lungskampf mit Leben und Tod — ich allein habe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0285" n="277"/>
und There&#x017F;en &#x017F;ei, erinner&#x017F;t Du Dich, daß er flieht?<lb/>
Mag &#x017F;ein, daß Andere anders empfinden, daß alles<lb/>
Aehnliche nur ein Civili&#x017F;ationsgefühl i&#x017F;t; aber es<lb/>
will als &#x017F;olches geachtet &#x017F;ein, die Civili&#x017F;ation muß<lb/>
Dich er&#x017F;chlagen, und wenn&#x2019;s &#x017F;ie es nicht thut, &#x017F;o<lb/>
werden&#x2019;s die Rothhäute Amerika&#x2019;s thun, denn auch<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ind eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. Wo zwei Ge&#x017F;chöpfe neben<lb/>
einander treten, da ent&#x017F;teht ein Verhältniß, und<lb/>
ein Verhältniß braucht ein Ge&#x017F;etz.</p><lb/>
          <p>Jch bin traurig bewegt. Hippolyt, Du bi&#x017F;t der<lb/>
letzte, an dem meine Ge&#x017F;chichte, mein Herz, mein<lb/>
Gei&#x017F;t hängt, Alles, neben dem ich geworden, i&#x017F;t<lb/>
zerplündert, verwü&#x017F;tet: Con&#x017F;tantin er&#x017F;tarrte und<lb/>
&#x017F;chied, William, der uns nie mit Wärme nah&#x2019;<lb/>
getreten war, i&#x017F;t im kalten Hochmuthe ein ein&#x017F;ei-<lb/>
tiger, unbedeutender Herr geworden, in welchem<lb/>
gar keine Welt &#x017F;ich entwickelt hat, Leopold blieb<lb/>
was er war, ward, was er werden mußte, ein<lb/>
Narr, &#x017F;ein Ende wird im Spitale &#x017F;ein, Joel, das<lb/>
&#x017F;chöne Herz, &#x017F;chachert, weil es die grau&#x017F;ame Welt<lb/>
&#x017F;o haben will, die Weiber &#x017F;ind ge&#x017F;torben, verdor-<lb/>
ben, zerknickt, Du kämpfe&#x017F;t den letzten Verzweif-<lb/>
lungskampf mit Leben und Tod &#x2014; ich allein habe<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0285] und Thereſen ſei, erinnerſt Du Dich, daß er flieht? Mag ſein, daß Andere anders empfinden, daß alles Aehnliche nur ein Civiliſationsgefühl iſt; aber es will als ſolches geachtet ſein, die Civiliſation muß Dich erſchlagen, und wenn’s ſie es nicht thut, ſo werden’s die Rothhäute Amerika’s thun, denn auch ſie ſind eine Geſellſchaft. Wo zwei Geſchöpfe neben einander treten, da entſteht ein Verhältniß, und ein Verhältniß braucht ein Geſetz. Jch bin traurig bewegt. Hippolyt, Du biſt der letzte, an dem meine Geſchichte, mein Herz, mein Geiſt hängt, Alles, neben dem ich geworden, iſt zerplündert, verwüſtet: Conſtantin erſtarrte und ſchied, William, der uns nie mit Wärme nah’ getreten war, iſt im kalten Hochmuthe ein einſei- tiger, unbedeutender Herr geworden, in welchem gar keine Welt ſich entwickelt hat, Leopold blieb was er war, ward, was er werden mußte, ein Narr, ſein Ende wird im Spitale ſein, Joel, das ſchöne Herz, ſchachert, weil es die grauſame Welt ſo haben will, die Weiber ſind geſtorben, verdor- ben, zerknickt, Du kämpfeſt den letzten Verzweif- lungskampf mit Leben und Tod — ich allein habe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/285
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/285>, abgerufen am 22.11.2024.