wollte, er war eine Brücke in's Größere, wenn auch eine brennende. Welch eine Anreizung wäre mir das, mich ihm zu verschreiben? Jhr vergeßt solche Verhältnisse ganz und gar, weil Jhr prosaisch nivellirt seid, Euer Titanenelement verwässert habt. Manchmal, wenn es in den dichten Nebeln dieses Meeres gar nicht Tag werden kann, sitze ich hier am Borde und schrei in die Wasserewigkeit hinaus, ob es keinen Dämon giebt, der sich mit mir ein- lassen will; hier wäre doch wahrlich der Ort für einen wüsten, schweifenden Urgeist. Versuch' es, in todtenstiller Nacht und Einsamkeit den Teufel zu rufen, aber direkt in der Volkssprache zu rufen, mit klarer, verständlicher Stimme: Teufel, hole mich! Es liegt eine Reizung darin.
Aber die wüsten Wasser schweigen.
Der Kapitain hat Reisebeschreibungen, in denen lese ich. Da finde ich in der einen Folgendes: der Sultan war ein eifrig Gläubiger, und als er nach Jerusalem kam, und die große Moschee zum Gottes- dienste einrichten wollte, wo der alte Salomonische Tempel gestanden, und wo der Christ gebetet hatte,
wollte, er war eine Brücke in’s Größere, wenn auch eine brennende. Welch eine Anreizung wäre mir das, mich ihm zu verſchreiben? Jhr vergeßt ſolche Verhältniſſe ganz und gar, weil Jhr proſaiſch nivellirt ſeid, Euer Titanenelement verwäſſert habt. Manchmal, wenn es in den dichten Nebeln dieſes Meeres gar nicht Tag werden kann, ſitze ich hier am Borde und ſchrei in die Waſſerewigkeit hinaus, ob es keinen Dämon giebt, der ſich mit mir ein- laſſen will; hier wäre doch wahrlich der Ort für einen wüſten, ſchweifenden Urgeiſt. Verſuch’ es, in todtenſtiller Nacht und Einſamkeit den Teufel zu rufen, aber direkt in der Volksſprache zu rufen, mit klarer, verſtändlicher Stimme: Teufel, hole mich! Es liegt eine Reizung darin.
Aber die wüſten Waſſer ſchweigen.
Der Kapitain hat Reiſebeſchreibungen, in denen leſe ich. Da finde ich in der einen Folgendes: der Sultan war ein eifrig Gläubiger, und als er nach Jeruſalem kam, und die große Moſchee zum Gottes- dienſte einrichten wollte, wo der alte Salomoniſche Tempel geſtanden, und wo der Chriſt gebetet hatte,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0280"n="272"/>
wollte, er war eine Brücke in’s Größere, wenn<lb/>
auch eine brennende. Welch eine Anreizung wäre<lb/>
mir das, mich ihm zu verſchreiben? Jhr vergeßt<lb/>ſolche Verhältniſſe ganz und gar, weil Jhr proſaiſch<lb/>
nivellirt ſeid, Euer Titanenelement verwäſſert habt.<lb/>
Manchmal, wenn es in den dichten Nebeln dieſes<lb/>
Meeres gar nicht Tag werden kann, ſitze ich hier<lb/>
am Borde und ſchrei in die Waſſerewigkeit hinaus,<lb/>
ob es keinen Dämon giebt, der ſich mit mir ein-<lb/>
laſſen will; hier wäre doch wahrlich der Ort für<lb/>
einen wüſten, ſchweifenden Urgeiſt. Verſuch’ es,<lb/>
in todtenſtiller Nacht und Einſamkeit den Teufel<lb/>
zu rufen, aber direkt in der Volksſprache zu rufen,<lb/>
mit klarer, verſtändlicher Stimme: Teufel, hole<lb/>
mich! Es liegt eine Reizung darin.</p><lb/><p>Aber die wüſten Waſſer ſchweigen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Der Kapitain hat Reiſebeſchreibungen, in denen<lb/>
leſe ich. Da finde ich in der einen Folgendes: der<lb/>
Sultan war ein eifrig Gläubiger, und als er nach<lb/>
Jeruſalem kam, und die große Moſchee zum Gottes-<lb/>
dienſte einrichten wollte, wo der alte Salomoniſche<lb/>
Tempel geſtanden, und wo der Chriſt gebetet hatte,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[272/0280]
wollte, er war eine Brücke in’s Größere, wenn
auch eine brennende. Welch eine Anreizung wäre
mir das, mich ihm zu verſchreiben? Jhr vergeßt
ſolche Verhältniſſe ganz und gar, weil Jhr proſaiſch
nivellirt ſeid, Euer Titanenelement verwäſſert habt.
Manchmal, wenn es in den dichten Nebeln dieſes
Meeres gar nicht Tag werden kann, ſitze ich hier
am Borde und ſchrei in die Waſſerewigkeit hinaus,
ob es keinen Dämon giebt, der ſich mit mir ein-
laſſen will; hier wäre doch wahrlich der Ort für
einen wüſten, ſchweifenden Urgeiſt. Verſuch’ es,
in todtenſtiller Nacht und Einſamkeit den Teufel
zu rufen, aber direkt in der Volksſprache zu rufen,
mit klarer, verſtändlicher Stimme: Teufel, hole
mich! Es liegt eine Reizung darin.
Aber die wüſten Waſſer ſchweigen.
Der Kapitain hat Reiſebeſchreibungen, in denen
leſe ich. Da finde ich in der einen Folgendes: der
Sultan war ein eifrig Gläubiger, und als er nach
Jeruſalem kam, und die große Moſchee zum Gottes-
dienſte einrichten wollte, wo der alte Salomoniſche
Tempel geſtanden, und wo der Chriſt gebetet hatte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/280>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.