Meine Macht wollte noch weiter hinaus: der Gouverneur des Distrikts, von meinem Gutsherrn unterrichtet, ließ sich mit mir ein, wollte mir ein groß Regiment anvertrauen; ich hab es abgelehnt, weil ich dabei wieder in die Unsicherheit des offnen Meeres geworfen würde, und weil ich fühle, daß meine Kraft und Ruhe doch noch sehr jung und schmächtig ist; möge sie höher und breiter und möge ihre Rinde wachsen mit den Jahren! Fast berauschte es mich schon, wie dieser Weg des kleinen Schrittes doch so rasch und sicher zu großer Herrschaft führe; wer noch berauscht wird, der ist noch zu jung. Nicht wahr, ich werde ein Philister? 's ist nicht so arg: mancherlei Hoffnung, sogar mancherlei Ueberschweng- lichkeit schlägt schon wieder die Flügel in mir. Wenn ich noch einmal lieben könnte, dann wäre Alles gut; ich fürchte aber, diesen schönsten Keim haben mir die Nachtfröste verdorben.
Ein ganz verschwiegen Thal -- freilich ist mir die Verschwiegenheit gar zu wünschenswerth gewor- den -- ein Thal mit der Ruhe und warmen Frucht- barkeit des Paradieses habe ich aufgefunden, dort bau' ich mir ein zierlich, heimlich Haus, ich bin
Meine Macht wollte noch weiter hinaus: der Gouverneur des Diſtrikts, von meinem Gutsherrn unterrichtet, ließ ſich mit mir ein, wollte mir ein groß Regiment anvertrauen; ich hab es abgelehnt, weil ich dabei wieder in die Unſicherheit des offnen Meeres geworfen würde, und weil ich fühle, daß meine Kraft und Ruhe doch noch ſehr jung und ſchmächtig iſt; möge ſie höher und breiter und möge ihre Rinde wachſen mit den Jahren! Faſt berauſchte es mich ſchon, wie dieſer Weg des kleinen Schrittes doch ſo raſch und ſicher zu großer Herrſchaft führe; wer noch berauſcht wird, der iſt noch zu jung. Nicht wahr, ich werde ein Philiſter? ’s iſt nicht ſo arg: mancherlei Hoffnung, ſogar mancherlei Ueberſchweng- lichkeit ſchlägt ſchon wieder die Flügel in mir. Wenn ich noch einmal lieben könnte, dann wäre Alles gut; ich fürchte aber, dieſen ſchönſten Keim haben mir die Nachtfröſte verdorben.
Ein ganz verſchwiegen Thal — freilich iſt mir die Verſchwiegenheit gar zu wünſchenswerth gewor- den — ein Thal mit der Ruhe und warmen Frucht- barkeit des Paradieſes habe ich aufgefunden, dort bau’ ich mir ein zierlich, heimlich Haus, ich bin
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0264"n="256"/><p>Meine Macht wollte noch weiter hinaus: der<lb/>
Gouverneur des Diſtrikts, von meinem Gutsherrn<lb/>
unterrichtet, ließ ſich mit mir ein, wollte mir ein<lb/>
groß Regiment anvertrauen; ich hab es abgelehnt,<lb/>
weil ich dabei wieder in die Unſicherheit des offnen<lb/>
Meeres geworfen würde, und weil ich fühle, daß<lb/>
meine Kraft und Ruhe doch noch ſehr jung und<lb/>ſchmächtig iſt; möge ſie höher und breiter und möge<lb/>
ihre Rinde wachſen mit den Jahren! Faſt berauſchte<lb/>
es mich ſchon, wie dieſer Weg des kleinen Schrittes<lb/>
doch ſo raſch und ſicher zu großer Herrſchaft führe;<lb/>
wer noch berauſcht wird, der iſt noch zu jung. Nicht<lb/>
wahr, ich werde ein Philiſter? ’s iſt nicht ſo arg:<lb/>
mancherlei Hoffnung, ſogar mancherlei Ueberſchweng-<lb/>
lichkeit ſchlägt ſchon wieder die Flügel in mir. Wenn<lb/>
ich noch einmal lieben könnte, dann wäre Alles gut;<lb/>
ich fürchte aber, dieſen ſchönſten Keim haben mir<lb/>
die Nachtfröſte verdorben.</p><lb/><p>Ein ganz verſchwiegen Thal — freilich iſt mir<lb/>
die Verſchwiegenheit gar zu wünſchenswerth gewor-<lb/>
den — ein Thal mit der Ruhe und warmen Frucht-<lb/>
barkeit des Paradieſes habe ich aufgefunden, dort<lb/>
bau’ ich mir ein zierlich, heimlich Haus, ich bin<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[256/0264]
Meine Macht wollte noch weiter hinaus: der
Gouverneur des Diſtrikts, von meinem Gutsherrn
unterrichtet, ließ ſich mit mir ein, wollte mir ein
groß Regiment anvertrauen; ich hab es abgelehnt,
weil ich dabei wieder in die Unſicherheit des offnen
Meeres geworfen würde, und weil ich fühle, daß
meine Kraft und Ruhe doch noch ſehr jung und
ſchmächtig iſt; möge ſie höher und breiter und möge
ihre Rinde wachſen mit den Jahren! Faſt berauſchte
es mich ſchon, wie dieſer Weg des kleinen Schrittes
doch ſo raſch und ſicher zu großer Herrſchaft führe;
wer noch berauſcht wird, der iſt noch zu jung. Nicht
wahr, ich werde ein Philiſter? ’s iſt nicht ſo arg:
mancherlei Hoffnung, ſogar mancherlei Ueberſchweng-
lichkeit ſchlägt ſchon wieder die Flügel in mir. Wenn
ich noch einmal lieben könnte, dann wäre Alles gut;
ich fürchte aber, dieſen ſchönſten Keim haben mir
die Nachtfröſte verdorben.
Ein ganz verſchwiegen Thal — freilich iſt mir
die Verſchwiegenheit gar zu wünſchenswerth gewor-
den — ein Thal mit der Ruhe und warmen Frucht-
barkeit des Paradieſes habe ich aufgefunden, dort
bau’ ich mir ein zierlich, heimlich Haus, ich bin
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/264>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.