werke wirst Du gespießt. Ein Rechenexempel, ein Pfahlwerk der Freiheit ist dem poetischen Gelüste viel unerträglicher als eine bekleidete, mit geschicht- lichem Moos bewachsene Unterthänigkeit: der bloße Begriff ist ein Recept, die Gewohnheit aber ist eine Speise, und Speise braucht der Mensch. Fahre wohl!
Jch bin wirklich von Grünschloß nächtlicher Weile in's Gebirg gewandelt, und habe als Kohlen- brenner die Berge durchstrichen aufwärts und ab- wärts. Hier in einem abgelegenen Thale saß ich eines Morgens und labte mich an dem harten, schwarzen Brode, das in meinem Schnappsacke zu finden war; die Sonne schien, die Vögel sangen, mein Leib war gesundet und gekräftigt, mit ihm mein Geist, ich dachte damals: ei nun, Du bist ja nicht allein klug in der Welt, sie wird's so gut machen und besser, als Du, laß sie gewähren, glaube ihr, betrachte, sinne, dichte von Neuem, aber im Kleinen. Mit der großen Welt bist Du gescheitert, versuch's mit dem verjüngten Maaßstabe; harke die Erde, pflanze Kohl, wirke auf den Nachbar, suche das Nächste, wage Dich nur langsam und äußerst
werke wirſt Du geſpießt. Ein Rechenexempel, ein Pfahlwerk der Freiheit iſt dem poetiſchen Gelüſte viel unerträglicher als eine bekleidete, mit geſchicht- lichem Moos bewachſene Unterthänigkeit: der bloße Begriff iſt ein Recept, die Gewohnheit aber iſt eine Speiſe, und Speiſe braucht der Menſch. Fahre wohl!
Jch bin wirklich von Grünſchloß nächtlicher Weile in’s Gebirg gewandelt, und habe als Kohlen- brenner die Berge durchſtrichen aufwärts und ab- wärts. Hier in einem abgelegenen Thale ſaß ich eines Morgens und labte mich an dem harten, ſchwarzen Brode, das in meinem Schnappſacke zu finden war; die Sonne ſchien, die Vögel ſangen, mein Leib war geſundet und gekräftigt, mit ihm mein Geiſt, ich dachte damals: ei nun, Du biſt ja nicht allein klug in der Welt, ſie wird’s ſo gut machen und beſſer, als Du, laß ſie gewähren, glaube ihr, betrachte, ſinne, dichte von Neuem, aber im Kleinen. Mit der großen Welt biſt Du geſcheitert, verſuch’s mit dem verjüngten Maaßſtabe; harke die Erde, pflanze Kohl, wirke auf den Nachbar, ſuche das Nächſte, wage Dich nur langſam und äußerſt
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werke wirſt Du geſpießt. Ein Rechenexempel, ein
Pfahlwerk der Freiheit iſt dem poetiſchen Gelüſte
viel unerträglicher als eine bekleidete, mit geſchicht-
lichem Moos bewachſene Unterthänigkeit: der bloße
Begriff iſt ein Recept, die Gewohnheit aber iſt eine
Speiſe, und Speiſe braucht der Menſch. Fahre
wohl!
Jch bin wirklich von Grünſchloß nächtlicher
Weile in’s Gebirg gewandelt, und habe als Kohlen-
brenner die Berge durchſtrichen aufwärts und ab-
wärts. Hier in einem abgelegenen Thale ſaß ich
eines Morgens und labte mich an dem harten,
ſchwarzen Brode, das in meinem Schnappſacke zu
finden war; die Sonne ſchien, die Vögel ſangen,
mein Leib war geſundet und gekräftigt, mit ihm
mein Geiſt, ich dachte damals: ei nun, Du biſt
ja nicht allein klug in der Welt, ſie wird’s ſo gut
machen und beſſer, als Du, laß ſie gewähren, glaube
ihr, betrachte, ſinne, dichte von Neuem, aber im
Kleinen. Mit der großen Welt biſt Du geſcheitert,
verſuch’s mit dem verjüngten Maaßſtabe; harke die
Erde, pflanze Kohl, wirke auf den Nachbar, ſuche
das Nächſte, wage Dich nur langſam und äußerſt
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/260>, abgerufen am 25.11.2024.
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