sie damals sonnenfröhlich da! Wir haben unsern Fuß hineingesetzt, und der Dämon ist auf unsern Schultern gekommen -- jetzt ist sie verwüstet.
Jch muß der Welt nicht mehr Gesicht zu Ge- sicht gegenüber stehn, denn wo ich hinblicke, richt' ich Unglück an, oder helfe es anrichten. Und wo kein Glück mehr ist, da ist der Tod, Glück ist eben das richtige Verhältniß. Jch hab's verloren -- pah! ich muß doch weiter.
Mit welcher Mühe entrinn' ich der alten Lady, der verzweifelnden, über ungewisse Verlassenheit hin- starrenden Anna! So jung, so roth, so lebens- warm, so vertrauend, so hingebend, so schön, so gut, so lieb und so vernichtet! Wenn's mich rührt, Valerius, wie muß es sein!
Geht's nicht auch mit mir zu Ende? Jch er- schrecke, ich fliehe, ich bedaure -- wie will das in mein Leben passen?
Sie verfolgen mich, diese unglücklichen Weiber, ich soll ihnen Auskunft geben, oder mit ihnen nach Auskunft suchen über Lord Henry.
Die stolzen, schweigsamen Ladies, diese schwarz gebundenen Velinbücher, welche die Sitte mit gold-
ſie damals ſonnenfröhlich da! Wir haben unſern Fuß hineingeſetzt, und der Dämon iſt auf unſern Schultern gekommen — jetzt iſt ſie verwüſtet.
Jch muß der Welt nicht mehr Geſicht zu Ge- ſicht gegenüber ſtehn, denn wo ich hinblicke, richt’ ich Unglück an, oder helfe es anrichten. Und wo kein Glück mehr iſt, da iſt der Tod, Glück iſt eben das richtige Verhältniß. Jch hab’s verloren — pah! ich muß doch weiter.
Mit welcher Mühe entrinn’ ich der alten Lady, der verzweifelnden, über ungewiſſe Verlaſſenheit hin- ſtarrenden Anna! So jung, ſo roth, ſo lebens- warm, ſo vertrauend, ſo hingebend, ſo ſchön, ſo gut, ſo lieb und ſo vernichtet! Wenn’s mich rührt, Valerius, wie muß es ſein!
Geht’s nicht auch mit mir zu Ende? Jch er- ſchrecke, ich fliehe, ich bedaure — wie will das in mein Leben paſſen?
Sie verfolgen mich, dieſe unglücklichen Weiber, ich ſoll ihnen Auskunft geben, oder mit ihnen nach Auskunft ſuchen über Lord Henry.
Die ſtolzen, ſchweigſamen Ladies, dieſe ſchwarz gebundenen Velinbücher, welche die Sitte mit gold-
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ſie damals ſonnenfröhlich da! Wir haben unſern
Fuß hineingeſetzt, und der Dämon iſt auf unſern
Schultern gekommen — jetzt iſt ſie verwüſtet.
Jch muß der Welt nicht mehr Geſicht zu Ge-
ſicht gegenüber ſtehn, denn wo ich hinblicke, richt’
ich Unglück an, oder helfe es anrichten. Und wo
kein Glück mehr iſt, da iſt der Tod, Glück iſt eben
das richtige Verhältniß. Jch hab’s verloren —
pah! ich muß doch weiter.
Mit welcher Mühe entrinn’ ich der alten Lady,
der verzweifelnden, über ungewiſſe Verlaſſenheit hin-
ſtarrenden Anna! So jung, ſo roth, ſo lebens-
warm, ſo vertrauend, ſo hingebend, ſo ſchön, ſo
gut, ſo lieb und ſo vernichtet! Wenn’s mich rührt,
Valerius, wie muß es ſein!
Geht’s nicht auch mit mir zu Ende? Jch er-
ſchrecke, ich fliehe, ich bedaure — wie will das in
mein Leben paſſen?
Sie verfolgen mich, dieſe unglücklichen Weiber,
ich ſoll ihnen Auskunft geben, oder mit ihnen nach
Auskunft ſuchen über Lord Henry.
Die ſtolzen, ſchweigſamen Ladies, dieſe ſchwarz
gebundenen Velinbücher, welche die Sitte mit gold-
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/251>, abgerufen am 16.02.2025.
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