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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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Jehovah, der rachlustige selbst, war heitrer und
schöner! Und diese Nation, welche solchergestalt das
innerste Leben in eine traurige, dunkle Höhle ver-
gräbt, ist die freiste? Wahrlich, mein Bauer im
Bastanthale, der am ärgsten Aberglauben seines
Mönches hängt, der einem Rey netto und jeder
andern Willkühr ohne weiteres untergeben ist, er
lebt in goldener Freiheit neben diesem gottfurcht-
samen, gottdürftigen Britten! Und diese Trauer-
atmosphäre eines bornirten Gedankens, welchem sich
aller innere Mensch dahier gebeugt hat, sie durch-
dringt alle höhere Thätigkeit dieses Volkes. Die
Literatur wird nach dem Moralkodex konstruirt und
gerichtet, eine freie Schönheit, eine Schönheit an
sich besteht gar nicht; diese alten Großmütter mit
Hornbrillen, diese reviews kritisiren in einer Alt-
klugheit, daß jedem Künstler die Haare zu Berg
stehen müssen; der eigentliche Britte, der nicht in-
konsequent den Kreis seines Landes verläßt, darf
kein Gemälde, keine Statue mit Wohlgefallen an-
schaun. Titians Fleisch ist gegen die Moral, der
borghesische Fechter ist gegen den moralischen An-
stand, darum leistet auch dies Volk in der bildenden

Jehovah, der rachluſtige ſelbſt, war heitrer und
ſchoͤner! Und dieſe Nation, welche ſolchergeſtalt das
innerſte Leben in eine traurige, dunkle Hoͤhle ver-
graͤbt, iſt die freiſte? Wahrlich, mein Bauer im
Baſtanthale, der am aͤrgſten Aberglauben ſeines
Moͤnches haͤngt, der einem Rey netto und jeder
andern Willkuͤhr ohne weiteres untergeben iſt, er
lebt in goldener Freiheit neben dieſem gottfurcht-
ſamen, gottduͤrftigen Britten! Und dieſe Trauer-
atmoſphaͤre eines bornirten Gedankens, welchem ſich
aller innere Menſch dahier gebeugt hat, ſie durch-
dringt alle hoͤhere Thaͤtigkeit dieſes Volkes. Die
Literatur wird nach dem Moralkodex konſtruirt und
gerichtet, eine freie Schoͤnheit, eine Schoͤnheit an
ſich beſteht gar nicht; dieſe alten Großmuͤtter mit
Hornbrillen, dieſe reviews kritiſiren in einer Alt-
klugheit, daß jedem Kuͤnſtler die Haare zu Berg
ſtehen muͤſſen; der eigentliche Britte, der nicht in-
konſequent den Kreis ſeines Landes verlaͤßt, darf
kein Gemaͤlde, keine Statue mit Wohlgefallen an-
ſchaun. Titians Fleiſch iſt gegen die Moral, der
borgheſiſche Fechter iſt gegen den moraliſchen An-
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[206/0214] Jehovah, der rachluſtige ſelbſt, war heitrer und ſchoͤner! Und dieſe Nation, welche ſolchergeſtalt das innerſte Leben in eine traurige, dunkle Hoͤhle ver- graͤbt, iſt die freiſte? Wahrlich, mein Bauer im Baſtanthale, der am aͤrgſten Aberglauben ſeines Moͤnches haͤngt, der einem Rey netto und jeder andern Willkuͤhr ohne weiteres untergeben iſt, er lebt in goldener Freiheit neben dieſem gottfurcht- ſamen, gottduͤrftigen Britten! Und dieſe Trauer- atmoſphaͤre eines bornirten Gedankens, welchem ſich aller innere Menſch dahier gebeugt hat, ſie durch- dringt alle hoͤhere Thaͤtigkeit dieſes Volkes. Die Literatur wird nach dem Moralkodex konſtruirt und gerichtet, eine freie Schoͤnheit, eine Schoͤnheit an ſich beſteht gar nicht; dieſe alten Großmuͤtter mit Hornbrillen, dieſe reviews kritiſiren in einer Alt- klugheit, daß jedem Kuͤnſtler die Haare zu Berg ſtehen muͤſſen; der eigentliche Britte, der nicht in- konſequent den Kreis ſeines Landes verlaͤßt, darf kein Gemaͤlde, keine Statue mit Wohlgefallen an- ſchaun. Titians Fleiſch iſt gegen die Moral, der borgheſiſche Fechter iſt gegen den moraliſchen An- ſtand, darum leiſtet auch dies Volk in der bildenden

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/214>, abgerufen am 26.11.2024.