Leben, was mir nahe trat. Gegen Ende der Stunde war ich auch schon mit meinem Gegenfüßler in Rapport getreten, allmählig hatten wir den Zwischen- raum, der uns trennte, immer kleiner gemacht, die Wächter waren des Regens halber in's Schilderhaus gekrochen, er flüsterte mir etwas zu, was ich frei- lich nicht verstand, aber er lachte, und das war großer Trost. Kann doch also auch hier gelacht werden! Aus seinem ganzen Aeußeren spricht eine Verhöhnung der Ketten, die hebt mich selber mit. Als der Regen plötzlich heftiger wurde, warf er mir schnell etwas an den Fuß, ich that, als fiele mir die Pfeife an die Erde -- so lügnerisch klug wird man in der Unterdrückung ohne Weiteres, und hob es auf. Es war ein kleiner Stein, Beihülfe zum Feuerschlagen -- bei der nächsten Begegnung sagte er deutlich "Hosenschnalle!" Wahrscheinlich soll sie die Stelle des Stahls vertreten, ich habe aber leider keine, und zuckte mit den Achseln, er zuckte auch und lachte. Jetzt plag' ich mich nun den ganzen Tag mit einer kleinen Schnalle meines Trageban- des, um Feuer zu schlagen, aber das Steinchen hat wenig Feuer, die Schnalle wenig Stahl, ich
Leben, was mir nahe trat. Gegen Ende der Stunde war ich auch ſchon mit meinem Gegenfüßler in Rapport getreten, allmählig hatten wir den Zwiſchen- raum, der uns trennte, immer kleiner gemacht, die Wächter waren des Regens halber in’s Schilderhaus gekrochen, er flüſterte mir etwas zu, was ich frei- lich nicht verſtand, aber er lachte, und das war großer Troſt. Kann doch alſo auch hier gelacht werden! Aus ſeinem ganzen Aeußeren ſpricht eine Verhöhnung der Ketten, die hebt mich ſelber mit. Als der Regen plötzlich heftiger wurde, warf er mir ſchnell etwas an den Fuß, ich that, als fiele mir die Pfeife an die Erde — ſo lügneriſch klug wird man in der Unterdrückung ohne Weiteres, und hob es auf. Es war ein kleiner Stein, Beihülfe zum Feuerſchlagen — bei der nächſten Begegnung ſagte er deutlich „Hoſenſchnalle!“ Wahrſcheinlich ſoll ſie die Stelle des Stahls vertreten, ich habe aber leider keine, und zuckte mit den Achſeln, er zuckte auch und lachte. Jetzt plag’ ich mich nun den ganzen Tag mit einer kleinen Schnalle meines Trageban- des, um Feuer zu ſchlagen, aber das Steinchen hat wenig Feuer, die Schnalle wenig Stahl, ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0173"n="165"/>
Leben, was mir nahe trat. Gegen Ende der Stunde<lb/>
war ich auch ſchon mit meinem Gegenfüßler in<lb/>
Rapport getreten, allmählig hatten wir den Zwiſchen-<lb/>
raum, der uns trennte, immer kleiner gemacht, die<lb/>
Wächter waren des Regens halber in’s Schilderhaus<lb/>
gekrochen, er flüſterte mir etwas zu, was ich frei-<lb/>
lich nicht verſtand, aber er lachte, und das war<lb/>
großer Troſt. Kann doch alſo auch hier gelacht<lb/>
werden! Aus ſeinem ganzen Aeußeren ſpricht eine<lb/>
Verhöhnung der Ketten, die hebt mich ſelber mit.<lb/>
Als der Regen plötzlich heftiger wurde, warf er mir<lb/>ſchnell etwas an den Fuß, ich that, als fiele mir<lb/>
die Pfeife an die Erde —ſo lügneriſch klug wird<lb/>
man in der Unterdrückung ohne Weiteres, und hob<lb/>
es auf. Es war ein kleiner Stein, Beihülfe zum<lb/>
Feuerſchlagen — bei der nächſten Begegnung ſagte<lb/>
er deutlich „Hoſenſchnalle!“ Wahrſcheinlich ſoll ſie<lb/>
die Stelle des Stahls vertreten, ich habe aber leider<lb/>
keine, und zuckte mit den Achſeln, er zuckte auch<lb/>
und lachte. Jetzt plag’ ich mich nun den ganzen<lb/>
Tag mit einer kleinen Schnalle meines Trageban-<lb/>
des, um Feuer zu ſchlagen, aber das Steinchen<lb/>
hat wenig Feuer, die Schnalle wenig Stahl, ich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[165/0173]
Leben, was mir nahe trat. Gegen Ende der Stunde
war ich auch ſchon mit meinem Gegenfüßler in
Rapport getreten, allmählig hatten wir den Zwiſchen-
raum, der uns trennte, immer kleiner gemacht, die
Wächter waren des Regens halber in’s Schilderhaus
gekrochen, er flüſterte mir etwas zu, was ich frei-
lich nicht verſtand, aber er lachte, und das war
großer Troſt. Kann doch alſo auch hier gelacht
werden! Aus ſeinem ganzen Aeußeren ſpricht eine
Verhöhnung der Ketten, die hebt mich ſelber mit.
Als der Regen plötzlich heftiger wurde, warf er mir
ſchnell etwas an den Fuß, ich that, als fiele mir
die Pfeife an die Erde — ſo lügneriſch klug wird
man in der Unterdrückung ohne Weiteres, und hob
es auf. Es war ein kleiner Stein, Beihülfe zum
Feuerſchlagen — bei der nächſten Begegnung ſagte
er deutlich „Hoſenſchnalle!“ Wahrſcheinlich ſoll ſie
die Stelle des Stahls vertreten, ich habe aber leider
keine, und zuckte mit den Achſeln, er zuckte auch
und lachte. Jetzt plag’ ich mich nun den ganzen
Tag mit einer kleinen Schnalle meines Trageban-
des, um Feuer zu ſchlagen, aber das Steinchen
hat wenig Feuer, die Schnalle wenig Stahl, ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/173>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.