haben wir in alle Wege Recht, und dies ist das Opfer und der einzige Trost, an dem ich wie an einer Drahtschnur weiter gehe; gegen uns selbst haben wir Unrecht, und die Welt mit ihrer schwer zu fügenden Ordnung trägt die Schuld. Sie sehen, ich bin so sehr ein Opfer, wie Sie, ich habe mir ein größeres, eben so trauriges Gefängniß bereitet, aber mit mir gedeiht der Staat, mit Jhnen ver- dirbt er. Könnte man mir diesen Glauben nehmen, so gäbe man mir den Tod. Das Gefängniß, groß und klein, ist für die Menschenerfindung, den Staat nothwendig."
"Das Nächste, was mir zu entgegnen, wäre vielleicht dies: Sie haben Jhren Wechsel in Staats- ansichten gewaltsam übereilt, Sie haben mit einem Male den geistigen Blutumlauf Jhres Herzens ge- wendet und dadurch den Keim des Todes in Jhr Herz gelegt. Wohl, es interessirt mich in meiner Blasirtheit einen Augenblick zu wissen, ob es bloß die Manier gewesen ist, die mich gestört hat; ich habe zu dem Ende Jhre Verhaftung bewirkt, und diese in die strengsten Grenzen eingedrängt, jetzt will ich sehn, was aus Jhren Meinungen geworden
haben wir in alle Wege Recht, und dies iſt das Opfer und der einzige Troſt, an dem ich wie an einer Drahtſchnur weiter gehe; gegen uns ſelbſt haben wir Unrecht, und die Welt mit ihrer ſchwer zu fügenden Ordnung trägt die Schuld. Sie ſehen, ich bin ſo ſehr ein Opfer, wie Sie, ich habe mir ein größeres, eben ſo trauriges Gefängniß bereitet, aber mit mir gedeiht der Staat, mit Jhnen ver- dirbt er. Könnte man mir dieſen Glauben nehmen, ſo gäbe man mir den Tod. Das Gefängniß, groß und klein, iſt für die Menſchenerfindung, den Staat nothwendig.“
„Das Nächſte, was mir zu entgegnen, wäre vielleicht dies: Sie haben Jhren Wechſel in Staats- anſichten gewaltſam übereilt, Sie haben mit einem Male den geiſtigen Blutumlauf Jhres Herzens ge- wendet und dadurch den Keim des Todes in Jhr Herz gelegt. Wohl, es intereſſirt mich in meiner Blaſirtheit einen Augenblick zu wiſſen, ob es bloß die Manier geweſen iſt, die mich geſtört hat; ich habe zu dem Ende Jhre Verhaftung bewirkt, und dieſe in die ſtrengſten Grenzen eingedrängt, jetzt will ich ſehn, was aus Jhren Meinungen geworden
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haben wir in alle Wege Recht, und dies iſt das
Opfer und der einzige Troſt, an dem ich wie an
einer Drahtſchnur weiter gehe; gegen uns ſelbſt
haben wir Unrecht, und die Welt mit ihrer ſchwer
zu fügenden Ordnung trägt die Schuld. Sie ſehen,
ich bin ſo ſehr ein Opfer, wie Sie, ich habe mir
ein größeres, eben ſo trauriges Gefängniß bereitet,
aber mit mir gedeiht der Staat, mit Jhnen ver-
dirbt er. Könnte man mir dieſen Glauben nehmen,
ſo gäbe man mir den Tod. Das Gefängniß, groß
und klein, iſt für die Menſchenerfindung, den Staat
nothwendig.“
„Das Nächſte, was mir zu entgegnen, wäre
vielleicht dies: Sie haben Jhren Wechſel in Staats-
anſichten gewaltſam übereilt, Sie haben mit einem
Male den geiſtigen Blutumlauf Jhres Herzens ge-
wendet und dadurch den Keim des Todes in Jhr
Herz gelegt. Wohl, es intereſſirt mich in meiner
Blaſirtheit einen Augenblick zu wiſſen, ob es bloß
die Manier geweſen iſt, die mich geſtört hat; ich
habe zu dem Ende Jhre Verhaftung bewirkt, und
dieſe in die ſtrengſten Grenzen eingedrängt, jetzt
will ich ſehn, was aus Jhren Meinungen geworden
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/170>, abgerufen am 26.11.2024.
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