Macht über Sie habe; daß Sie den Anfängen meiner Lebensgeschichte nach, die ich mit Jhnen gemein- schaftlich erlebt habe, glauben, diese meine jetzige Stellung könnte mit einer Unwürdigkeit meines sittlichen Menschen zusammenhängen, weil sie mit dem Beginn meiner damaligen Lebensansichten auf den ersten Anblick nicht harmonirt. Um einer solchen Folgerung zu widersprechen, welche Jhrem inneren Schicksale eine falsche Richtung geben, und mich in eine falsche Position bringen könnte, will ich Jhnen mit zwei Worten meine Lebensentwickelung mittheilen. Warum ich dies auf so förmliche Weise, und nicht im wiederangeschlagenen Tone unsrer früher kordialen Bekanntschaft beginne, wird Jhnen erklär- lich sein, wenn Sie bemerken, daß ich eben Per- sönliches aller Art der Form unterordne, wenn es sein muß, gewaltsam und schonungslos unterordne, daß ich eben in der Ansicht zu meinem jetzigen Punkte gekommen bin, die Form sei Alles, sei die eigentliche Bildung, der losgelassene, seiner ganzen Jnnerlichkeit frei gegebene Mensch sei ein ewiger Feind des Zusammenlebens. Als Jakobiner, als Vergötterer aller Revolution kam ich nach Paris,
Macht über Sie habe; daß Sie den Anfängen meiner Lebensgeſchichte nach, die ich mit Jhnen gemein- ſchaftlich erlebt habe, glauben, dieſe meine jetzige Stellung könnte mit einer Unwürdigkeit meines ſittlichen Menſchen zuſammenhängen, weil ſie mit dem Beginn meiner damaligen Lebensanſichten auf den erſten Anblick nicht harmonirt. Um einer ſolchen Folgerung zu widerſprechen, welche Jhrem inneren Schickſale eine falſche Richtung geben, und mich in eine falſche Poſition bringen könnte, will ich Jhnen mit zwei Worten meine Lebensentwickelung mittheilen. Warum ich dies auf ſo förmliche Weiſe, und nicht im wiederangeſchlagenen Tone unſrer früher kordialen Bekanntſchaft beginne, wird Jhnen erklär- lich ſein, wenn Sie bemerken, daß ich eben Per- ſönliches aller Art der Form unterordne, wenn es ſein muß, gewaltſam und ſchonungslos unterordne, daß ich eben in der Anſicht zu meinem jetzigen Punkte gekommen bin, die Form ſei Alles, ſei die eigentliche Bildung, der losgelaſſene, ſeiner ganzen Jnnerlichkeit frei gegebene Menſch ſei ein ewiger Feind des Zuſammenlebens. Als Jakobiner, als Vergötterer aller Revolution kam ich nach Paris,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0165"n="157"/>
Macht über Sie habe; daß Sie den Anfängen meiner<lb/>
Lebensgeſchichte nach, die ich mit Jhnen gemein-<lb/>ſchaftlich erlebt habe, glauben, dieſe meine jetzige<lb/>
Stellung könnte mit einer Unwürdigkeit meines<lb/>ſittlichen Menſchen zuſammenhängen, weil ſie mit<lb/>
dem Beginn meiner damaligen Lebensanſichten auf<lb/>
den erſten Anblick nicht harmonirt. Um einer ſolchen<lb/>
Folgerung zu widerſprechen, welche Jhrem inneren<lb/>
Schickſale eine falſche Richtung geben, und mich<lb/>
in eine falſche Poſition bringen könnte, will ich<lb/>
Jhnen mit zwei Worten meine Lebensentwickelung<lb/>
mittheilen. Warum ich dies auf ſo förmliche Weiſe,<lb/>
und nicht im wiederangeſchlagenen Tone unſrer früher<lb/>
kordialen Bekanntſchaft beginne, wird Jhnen erklär-<lb/>
lich ſein, wenn Sie bemerken, daß ich eben Per-<lb/>ſönliches aller Art der Form unterordne, wenn es<lb/>ſein muß, gewaltſam und ſchonungslos unterordne,<lb/>
daß ich eben in der Anſicht zu meinem jetzigen<lb/>
Punkte gekommen bin, die Form ſei Alles, ſei die<lb/>
eigentliche Bildung, der losgelaſſene, ſeiner ganzen<lb/>
Jnnerlichkeit frei gegebene Menſch ſei ein ewiger<lb/>
Feind des Zuſammenlebens. Als Jakobiner, als<lb/>
Vergötterer aller Revolution kam ich nach Paris,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[157/0165]
Macht über Sie habe; daß Sie den Anfängen meiner
Lebensgeſchichte nach, die ich mit Jhnen gemein-
ſchaftlich erlebt habe, glauben, dieſe meine jetzige
Stellung könnte mit einer Unwürdigkeit meines
ſittlichen Menſchen zuſammenhängen, weil ſie mit
dem Beginn meiner damaligen Lebensanſichten auf
den erſten Anblick nicht harmonirt. Um einer ſolchen
Folgerung zu widerſprechen, welche Jhrem inneren
Schickſale eine falſche Richtung geben, und mich
in eine falſche Poſition bringen könnte, will ich
Jhnen mit zwei Worten meine Lebensentwickelung
mittheilen. Warum ich dies auf ſo förmliche Weiſe,
und nicht im wiederangeſchlagenen Tone unſrer früher
kordialen Bekanntſchaft beginne, wird Jhnen erklär-
lich ſein, wenn Sie bemerken, daß ich eben Per-
ſönliches aller Art der Form unterordne, wenn es
ſein muß, gewaltſam und ſchonungslos unterordne,
daß ich eben in der Anſicht zu meinem jetzigen
Punkte gekommen bin, die Form ſei Alles, ſei die
eigentliche Bildung, der losgelaſſene, ſeiner ganzen
Jnnerlichkeit frei gegebene Menſch ſei ein ewiger
Feind des Zuſammenlebens. Als Jakobiner, als
Vergötterer aller Revolution kam ich nach Paris,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/165>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.