abgestäubt gar nicht, so was ist Luxusartikel, und der Wärter, dem dreißig Gefangene obliegen, hat dafür auch wirklich keine Zeit; der Schmutz ist also arg, und das bleibt ein lähmender Schmerz für mich; für Wäsche kann ich nur wenig vom schmalen Kostgelde, was der Wärter auslegt, absparen, was bleibt mir also übrig, als bisweilen mein graues Blechhandbecken herzunehmen und Taschen- oder Handtücher zu waschen? Und der Weltverbesserer bedürfte des Unterrichts von einem alten Weibe! Das Leben hat alle Taschen voll Jronie! Jetzt, da wir's einander erzählen, mein Nachbar und ich, wird es spaßhaft: wenn ein Zweiter derselben Noth- wendigkeit folgen muß, dann wird sie dadurch auf der Stelle legitim, und sie kann als ein gerechtfer- tigtes Objekt zu Allem ausgebeutet werden. Soll ich Dir nun das Schlimmste gestehn: in den vier- zehn Tagen hat sich unser Gespräch und unsere Be- kanntschaft schon sehr abgenutzt, wir sind schon mit- unter auf dem Trocknen. Er hat mehr Aussicht, einmal wieder loszukommen, als ich; aber ihn küm- mert dafür eine andere Sorge, aus der ich ihm ein Lied gemacht habe:
abgeſtäubt gar nicht, ſo was iſt Luxusartikel, und der Wärter, dem dreißig Gefangene obliegen, hat dafür auch wirklich keine Zeit; der Schmutz iſt alſo arg, und das bleibt ein lähmender Schmerz für mich; für Wäſche kann ich nur wenig vom ſchmalen Koſtgelde, was der Wärter auslegt, abſparen, was bleibt mir alſo übrig, als bisweilen mein graues Blechhandbecken herzunehmen und Taſchen- oder Handtücher zu waſchen? Und der Weltverbeſſerer bedürfte des Unterrichts von einem alten Weibe! Das Leben hat alle Taſchen voll Jronie! Jetzt, da wir’s einander erzählen, mein Nachbar und ich, wird es ſpaßhaft: wenn ein Zweiter derſelben Noth- wendigkeit folgen muß, dann wird ſie dadurch auf der Stelle legitim, und ſie kann als ein gerechtfer- tigtes Objekt zu Allem ausgebeutet werden. Soll ich Dir nun das Schlimmſte geſtehn: in den vier- zehn Tagen hat ſich unſer Geſpräch und unſere Be- kanntſchaft ſchon ſehr abgenutzt, wir ſind ſchon mit- unter auf dem Trocknen. Er hat mehr Ausſicht, einmal wieder loszukommen, als ich; aber ihn küm- mert dafür eine andere Sorge, aus der ich ihm ein Lied gemacht habe:
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abgeſtäubt gar nicht, ſo was iſt Luxusartikel, und
der Wärter, dem dreißig Gefangene obliegen, hat
dafür auch wirklich keine Zeit; der Schmutz iſt alſo
arg, und das bleibt ein lähmender Schmerz für
mich; für Wäſche kann ich nur wenig vom ſchmalen
Koſtgelde, was der Wärter auslegt, abſparen, was
bleibt mir alſo übrig, als bisweilen mein graues
Blechhandbecken herzunehmen und Taſchen- oder
Handtücher zu waſchen? Und der Weltverbeſſerer
bedürfte des Unterrichts von einem alten Weibe!
Das Leben hat alle Taſchen voll Jronie! Jetzt, da
wir’s einander erzählen, mein Nachbar und ich,
wird es ſpaßhaft: wenn ein Zweiter derſelben Noth-
wendigkeit folgen muß, dann wird ſie dadurch auf
der Stelle legitim, und ſie kann als ein gerechtfer-
tigtes Objekt zu Allem ausgebeutet werden. Soll
ich Dir nun das Schlimmſte geſtehn: in den vier-
zehn Tagen hat ſich unſer Geſpräch und unſere Be-
kanntſchaft ſchon ſehr abgenutzt, wir ſind ſchon mit-
unter auf dem Trocknen. Er hat mehr Ausſicht,
einmal wieder loszukommen, als ich; aber ihn küm-
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/155>, abgerufen am 25.11.2024.
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