Anblicke ineinander dichten, am kleinen Zustande dich laben; aber wenn auch der Körper blasirt wird, was dann? Was ist der Ruhm? Eine Nahrung kindischer Eitelkeit; was ist die Theilnahme, welche Dir werden mag in Freundschaft oder Liebe? Ein Zufälliges, weil Du just mit Leuten in Berührung kommst, die das mögen, was Du scheinbar besitzest, und was Dir über Nacht eine Laune, eine Krank- heit rauben kann! Was ist die Menschenentwicke- lung, für welche Du Dich erhitzest? Ein so lang- sam und mannigfach Werdendes, daß Du Dich in Ewigkeit seiner nicht bemächtigen kannst, wo Du mit allen Schlüssen und Folgerungen am scheinba- ren Endpunkte Dich getäuscht, Dich in den Hän- den einer ewig unerklärten Macht siehst! Was ist die Poesie? Eine Spielerei Deines Herzens, so lange Dein Herz Kraft hat zu erfinden, zu kom- biniren, zu empfangen und zu genießen, und wenn Dir die Kraft ausgeht, ist sie nichts. Elastische Fähigkeit und Kraft ist Alles, von ihnen wird Alles bedingt, wenn sie Dir fehlen, kommt zu Deinem größten Reichthume die Blasirtheit, ein künstlich Wort, das wir aufgenommen haben, um den gar-
Anblicke ineinander dichten, am kleinen Zuſtande dich laben; aber wenn auch der Körper blaſirt wird, was dann? Was iſt der Ruhm? Eine Nahrung kindiſcher Eitelkeit; was iſt die Theilnahme, welche Dir werden mag in Freundſchaft oder Liebe? Ein Zufälliges, weil Du juſt mit Leuten in Berührung kommſt, die das mögen, was Du ſcheinbar beſitzeſt, und was Dir über Nacht eine Laune, eine Krank- heit rauben kann! Was iſt die Menſchenentwicke- lung, für welche Du Dich erhitzeſt? Ein ſo lang- ſam und mannigfach Werdendes, daß Du Dich in Ewigkeit ſeiner nicht bemächtigen kannſt, wo Du mit allen Schlüſſen und Folgerungen am ſcheinba- ren Endpunkte Dich getäuſcht, Dich in den Hän- den einer ewig unerklärten Macht ſiehſt! Was iſt die Poeſie? Eine Spielerei Deines Herzens, ſo lange Dein Herz Kraft hat zu erfinden, zu kom- biniren, zu empfangen und zu genießen, und wenn Dir die Kraft ausgeht, iſt ſie nichts. Elaſtiſche Fähigkeit und Kraft iſt Alles, von ihnen wird Alles bedingt, wenn ſie Dir fehlen, kommt zu Deinem größten Reichthume die Blaſirtheit, ein künſtlich Wort, das wir aufgenommen haben, um den gar-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0146"n="138"/>
Anblicke ineinander dichten, am kleinen Zuſtande<lb/>
dich laben; aber wenn auch der Körper blaſirt wird,<lb/>
was dann? Was iſt der Ruhm? Eine Nahrung<lb/>
kindiſcher Eitelkeit; was iſt die Theilnahme, welche<lb/>
Dir werden mag in Freundſchaft oder Liebe? Ein<lb/>
Zufälliges, weil Du juſt mit Leuten in Berührung<lb/>
kommſt, die das mögen, was Du ſcheinbar beſitzeſt,<lb/>
und was Dir über Nacht eine Laune, eine Krank-<lb/>
heit rauben kann! Was iſt die Menſchenentwicke-<lb/>
lung, für welche Du Dich erhitzeſt? Ein ſo lang-<lb/>ſam und mannigfach Werdendes, daß Du Dich in<lb/>
Ewigkeit ſeiner nicht bemächtigen kannſt, wo Du<lb/>
mit allen Schlüſſen und Folgerungen am ſcheinba-<lb/>
ren Endpunkte Dich getäuſcht, Dich in den Hän-<lb/>
den einer ewig unerklärten Macht ſiehſt! Was iſt<lb/>
die Poeſie? Eine Spielerei Deines Herzens, ſo<lb/>
lange Dein Herz Kraft hat zu erfinden, zu kom-<lb/>
biniren, zu empfangen und zu genießen, und wenn<lb/>
Dir die Kraft ausgeht, iſt ſie nichts. Elaſtiſche<lb/>
Fähigkeit und Kraft iſt Alles, von ihnen wird Alles<lb/>
bedingt, wenn ſie Dir fehlen, kommt zu Deinem<lb/>
größten Reichthume die Blaſirtheit, ein künſtlich<lb/>
Wort, das wir aufgenommen haben, um den gar-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[138/0146]
Anblicke ineinander dichten, am kleinen Zuſtande
dich laben; aber wenn auch der Körper blaſirt wird,
was dann? Was iſt der Ruhm? Eine Nahrung
kindiſcher Eitelkeit; was iſt die Theilnahme, welche
Dir werden mag in Freundſchaft oder Liebe? Ein
Zufälliges, weil Du juſt mit Leuten in Berührung
kommſt, die das mögen, was Du ſcheinbar beſitzeſt,
und was Dir über Nacht eine Laune, eine Krank-
heit rauben kann! Was iſt die Menſchenentwicke-
lung, für welche Du Dich erhitzeſt? Ein ſo lang-
ſam und mannigfach Werdendes, daß Du Dich in
Ewigkeit ſeiner nicht bemächtigen kannſt, wo Du
mit allen Schlüſſen und Folgerungen am ſcheinba-
ren Endpunkte Dich getäuſcht, Dich in den Hän-
den einer ewig unerklärten Macht ſiehſt! Was iſt
die Poeſie? Eine Spielerei Deines Herzens, ſo
lange Dein Herz Kraft hat zu erfinden, zu kom-
biniren, zu empfangen und zu genießen, und wenn
Dir die Kraft ausgeht, iſt ſie nichts. Elaſtiſche
Fähigkeit und Kraft iſt Alles, von ihnen wird Alles
bedingt, wenn ſie Dir fehlen, kommt zu Deinem
größten Reichthume die Blaſirtheit, ein künſtlich
Wort, das wir aufgenommen haben, um den gar-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/146>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.