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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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nicht noch Forderungen an mich, die Wände sind
dick, die Schlösser und Gitter fest, werft nicht noch
Skorpionen in meine Einsamkeit, ich kann Niemand
helfen, ich gebiete blos über acht Schritte Raum.
Als mein alter Vater Sonntags von der Kanzel
gekommen ist, da sind Pfarrkinder zu ihm getre-
ten, und haben gefragt, ob es denn wahr sei, ein
Reisender habe es erzählt, daß der älteste Pfarrsohn
ein Verbrecher geworden sei. Tritt uns erst die
Beschränktheit nahe mit allen Rechten der unkun-
digen Theilnahme, des unerfahrenen Vorwurfs, dann
wird die Lähmung vollständig. Der Vater jammert
und fragt, und ich kann ihm nicht helfen, ja ich
kann ihm nicht antworten, denn es fehlt mir Pa-
pier und Feder, und zur Tortur hat man diesen
Brief und ein Billet Camilla's hereingelassen, seit
Monden das erste Verbindungszeichen mit der Welt,
und ein so trauriges wie ein Grabesflor -- ver-
hängt ihr mir auch noch die Welt draußen mit
weinerlichen Wolken, die Welt, nach der ich
schmachte? Wo soll ich hin mit meinen Wünschen!
Unglückliche Camilla! Sie hat nach Grünschloß keine
Nachricht gegeben, wo sie hin sei, sie hat Himmel

nicht noch Forderungen an mich, die Wände ſind
dick, die Schlöſſer und Gitter feſt, werft nicht noch
Skorpionen in meine Einſamkeit, ich kann Niemand
helfen, ich gebiete blos über acht Schritte Raum.
Als mein alter Vater Sonntags von der Kanzel
gekommen iſt, da ſind Pfarrkinder zu ihm getre-
ten, und haben gefragt, ob es denn wahr ſei, ein
Reiſender habe es erzählt, daß der älteſte Pfarrſohn
ein Verbrecher geworden ſei. Tritt uns erſt die
Beſchränktheit nahe mit allen Rechten der unkun-
digen Theilnahme, des unerfahrenen Vorwurfs, dann
wird die Lähmung vollſtändig. Der Vater jammert
und fragt, und ich kann ihm nicht helfen, ja ich
kann ihm nicht antworten, denn es fehlt mir Pa-
pier und Feder, und zur Tortur hat man dieſen
Brief und ein Billet Camilla’s hereingelaſſen, ſeit
Monden das erſte Verbindungszeichen mit der Welt,
und ein ſo trauriges wie ein Grabesflor — ver-
hängt ihr mir auch noch die Welt draußen mit
weinerlichen Wolken, die Welt, nach der ich
ſchmachte? Wo ſoll ich hin mit meinen Wünſchen!
Unglückliche Camilla! Sie hat nach Grünſchloß keine
Nachricht gegeben, wo ſie hin ſei, ſie hat Himmel

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[134/0142] nicht noch Forderungen an mich, die Wände ſind dick, die Schlöſſer und Gitter feſt, werft nicht noch Skorpionen in meine Einſamkeit, ich kann Niemand helfen, ich gebiete blos über acht Schritte Raum. Als mein alter Vater Sonntags von der Kanzel gekommen iſt, da ſind Pfarrkinder zu ihm getre- ten, und haben gefragt, ob es denn wahr ſei, ein Reiſender habe es erzählt, daß der älteſte Pfarrſohn ein Verbrecher geworden ſei. Tritt uns erſt die Beſchränktheit nahe mit allen Rechten der unkun- digen Theilnahme, des unerfahrenen Vorwurfs, dann wird die Lähmung vollſtändig. Der Vater jammert und fragt, und ich kann ihm nicht helfen, ja ich kann ihm nicht antworten, denn es fehlt mir Pa- pier und Feder, und zur Tortur hat man dieſen Brief und ein Billet Camilla’s hereingelaſſen, ſeit Monden das erſte Verbindungszeichen mit der Welt, und ein ſo trauriges wie ein Grabesflor — ver- hängt ihr mir auch noch die Welt draußen mit weinerlichen Wolken, die Welt, nach der ich ſchmachte? Wo ſoll ich hin mit meinen Wünſchen! Unglückliche Camilla! Sie hat nach Grünſchloß keine Nachricht gegeben, wo ſie hin ſei, ſie hat Himmel

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/142>, abgerufen am 22.11.2024.