Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

auf der kleinen Bank des Portiers, sie braus'ten
an mir vorüber. Der alte Portier kam mit dem
Bescheide nachgehinkt: das müßte seine vollkommene
Richtigkeit gehabt haben, denn die Fürstin habe
Hals über Kopf nach dem Wagen geschickt, und
da fahre sie hin. -- Der alte Mann schenkte mir
ein Stück Schwarzbrot und einen Trunk, dann
schleppte ich mich weiter, die herbe Wunde im
Herzen.



Bald darauf begann die Gefangenschaft, kam
Camilla. Aber blaß war das arme Mädchen sehr
geworden -- ach, wie durchdrungen war ich damals,
ihr diese rührende Anhänglichkeit mit aller Liebe zu
danken, die nur in meinem Herzen gedeihen könne.
Jn der Einsamkeit meines Gefängnisses malte ich
mir es aus, wie sie zufrieden und glücklich sein
würde, wenn wir eine kleine häusliche Existenz neben
einander führten; die Welt müsse freilich aufgegeben
sein, aber Camilla sei zufrieden mit einem Jdyll.
Um diese Zeit trat eine Katastrophe ein, und Alles
wurde anders: ich wartete täglich auf meine Befrei-
ung; eines Tages, als der Wärter mein Mittag-

auf der kleinen Bank des Portiers, ſie brauſ’ten
an mir vorüber. Der alte Portier kam mit dem
Beſcheide nachgehinkt: das müßte ſeine vollkommene
Richtigkeit gehabt haben, denn die Fürſtin habe
Hals über Kopf nach dem Wagen geſchickt, und
da fahre ſie hin. — Der alte Mann ſchenkte mir
ein Stück Schwarzbrot und einen Trunk, dann
ſchleppte ich mich weiter, die herbe Wunde im
Herzen.



Bald darauf begann die Gefangenſchaft, kam
Camilla. Aber blaß war das arme Mädchen ſehr
geworden — ach, wie durchdrungen war ich damals,
ihr dieſe rührende Anhänglichkeit mit aller Liebe zu
danken, die nur in meinem Herzen gedeihen könne.
Jn der Einſamkeit meines Gefängniſſes malte ich
mir es aus, wie ſie zufrieden und glücklich ſein
würde, wenn wir eine kleine häusliche Exiſtenz neben
einander führten; die Welt müſſe freilich aufgegeben
ſein, aber Camilla ſei zufrieden mit einem Jdyll.
Um dieſe Zeit trat eine Kataſtrophe ein, und Alles
wurde anders: ich wartete täglich auf meine Befrei-
ung; eines Tages, als der Wärter mein Mittag-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0114" n="106"/>
auf der kleinen Bank des Portiers, &#x017F;ie brau&#x017F;&#x2019;ten<lb/>
an mir vorüber. Der alte Portier kam mit dem<lb/>
Be&#x017F;cheide nachgehinkt: das müßte &#x017F;eine vollkommene<lb/>
Richtigkeit gehabt haben, denn die Für&#x017F;tin habe<lb/>
Hals über Kopf nach dem Wagen ge&#x017F;chickt, und<lb/>
da fahre &#x017F;ie hin. &#x2014; Der alte Mann &#x017F;chenkte mir<lb/>
ein Stück Schwarzbrot und einen Trunk, dann<lb/>
&#x017F;chleppte ich mich weiter, die herbe Wunde im<lb/>
Herzen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Bald darauf begann die Gefangen&#x017F;chaft, kam<lb/>
Camilla. Aber blaß war das arme Mädchen &#x017F;ehr<lb/>
geworden &#x2014; ach, wie durchdrungen war ich damals,<lb/>
ihr die&#x017F;e rührende Anhänglichkeit mit aller Liebe zu<lb/>
danken, die nur in meinem Herzen gedeihen könne.<lb/>
Jn der Ein&#x017F;amkeit meines Gefängni&#x017F;&#x017F;es malte ich<lb/>
mir es aus, wie &#x017F;ie zufrieden und glücklich &#x017F;ein<lb/>
würde, wenn wir eine kleine häusliche Exi&#x017F;tenz neben<lb/>
einander führten; die Welt mü&#x017F;&#x017F;e freilich aufgegeben<lb/>
&#x017F;ein, aber Camilla &#x017F;ei zufrieden mit einem Jdyll.<lb/>
Um die&#x017F;e Zeit trat eine Kata&#x017F;trophe ein, und Alles<lb/>
wurde anders: ich wartete täglich auf meine Befrei-<lb/>
ung; eines Tages, als der Wärter mein Mittag-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0114] auf der kleinen Bank des Portiers, ſie brauſ’ten an mir vorüber. Der alte Portier kam mit dem Beſcheide nachgehinkt: das müßte ſeine vollkommene Richtigkeit gehabt haben, denn die Fürſtin habe Hals über Kopf nach dem Wagen geſchickt, und da fahre ſie hin. — Der alte Mann ſchenkte mir ein Stück Schwarzbrot und einen Trunk, dann ſchleppte ich mich weiter, die herbe Wunde im Herzen. Bald darauf begann die Gefangenſchaft, kam Camilla. Aber blaß war das arme Mädchen ſehr geworden — ach, wie durchdrungen war ich damals, ihr dieſe rührende Anhänglichkeit mit aller Liebe zu danken, die nur in meinem Herzen gedeihen könne. Jn der Einſamkeit meines Gefängniſſes malte ich mir es aus, wie ſie zufrieden und glücklich ſein würde, wenn wir eine kleine häusliche Exiſtenz neben einander führten; die Welt müſſe freilich aufgegeben ſein, aber Camilla ſei zufrieden mit einem Jdyll. Um dieſe Zeit trat eine Kataſtrophe ein, und Alles wurde anders: ich wartete täglich auf meine Befrei- ung; eines Tages, als der Wärter mein Mittag-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/114
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/114>, abgerufen am 22.11.2024.