Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.Als achtzehnjähriges Mädchen hatte sie die erste Wenn man von Wilna bis an die Karpathen Als achtzehnjähriges Mädchen hatte ſie die erſte Wenn man von Wilna bis an die Karpathen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0061" n="51"/> Als achtzehnjähriges Mädchen hatte ſie die erſte<lb/> Theilung erlebt und jene erſte Wuth des Adels ge-<lb/> ſehen, die noch nicht wußte, wie ſie ſich geſtalten<lb/> ſollte über die grinſende Neuheit der Dinge. Sie<lb/> war am Hofe des gelehrten Stanislaus, des letzten<lb/> Königs geweſen, ſie hatte Kosciusko durch ihre<lb/> Schönheit und ihre Rede begeiſtert, ihr Gatte war<lb/> mit ihm bei Maciejovice gefallen, fünf ihrer Söhne<lb/> waren in den Napoleoniſchen Kriegen untergegangen,<lb/> im Jahre zwölf hatte ſie zu Napoleon geſprochen<lb/> vom Königreiche Polen, vor wenig Tagen war ihr<lb/> letzter Enkel bei Grochow in der Schlacht geweſen,<lb/> und ſie wußt’ es noch nicht, ob er noch lebte, und<lb/> fragte auch nicht darnach. Seit Kosciuskos Falle<lb/> hatte Niemand ſie mehr lächeln ſehn, und ſie trug<lb/> nun 36 Jahre die ſchwarzen Kleider.</p><lb/> <p>Wenn man von Wilna bis an die Karpathen<lb/> kein ruſſiſch Wort mehr hören wird — pflegte ſie<lb/> zu ſagen — dann ſollt Jhr mich mit einem weißen<lb/> Kleide in den Sarg legen, und ich will im Tode<lb/> wieder lächeln. Jch will auch nicht eher ſterben,<lb/> als bis dies geſchieht, oder bis man noch einmal<lb/> ſchreibt: Es giebt kein Polen mehr. Und ließe<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0061]
Als achtzehnjähriges Mädchen hatte ſie die erſte
Theilung erlebt und jene erſte Wuth des Adels ge-
ſehen, die noch nicht wußte, wie ſie ſich geſtalten
ſollte über die grinſende Neuheit der Dinge. Sie
war am Hofe des gelehrten Stanislaus, des letzten
Königs geweſen, ſie hatte Kosciusko durch ihre
Schönheit und ihre Rede begeiſtert, ihr Gatte war
mit ihm bei Maciejovice gefallen, fünf ihrer Söhne
waren in den Napoleoniſchen Kriegen untergegangen,
im Jahre zwölf hatte ſie zu Napoleon geſprochen
vom Königreiche Polen, vor wenig Tagen war ihr
letzter Enkel bei Grochow in der Schlacht geweſen,
und ſie wußt’ es noch nicht, ob er noch lebte, und
fragte auch nicht darnach. Seit Kosciuskos Falle
hatte Niemand ſie mehr lächeln ſehn, und ſie trug
nun 36 Jahre die ſchwarzen Kleider.
Wenn man von Wilna bis an die Karpathen
kein ruſſiſch Wort mehr hören wird — pflegte ſie
zu ſagen — dann ſollt Jhr mich mit einem weißen
Kleide in den Sarg legen, und ich will im Tode
wieder lächeln. Jch will auch nicht eher ſterben,
als bis dies geſchieht, oder bis man noch einmal
ſchreibt: Es giebt kein Polen mehr. Und ließe
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