Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

beschwor sie, zu mir zu reden, wie es das Herz ihr
eingebe. Das Mädchen war erschrocken, war geäng-
stigt, ich fühlte es, wie ihre Hand in der meinen
zitterte; ich aber ließ nicht ab von meinem Drän-
gen, und da sprach sie denn endlich zögernd und
stotternd jene Worte" --

Joel hielt den Athem an, als müsse alles Leben
still stehen in seinem Körper, er schloß die Augen,
und drückte krampfhaft die Hand seines Freundes.
Aber nach einer kurzen Pause fuhr er mit gefaßter,
aber noch leiserer Stimme fort:

"Hedwig sagte, sie habe mich gern, sie habe
mich lieb, aber ich ängstigte sie mit solcher Leiden-
schaft. Kurz -- sie hat es nicht ausgesprochen,
sie weiß es vielleicht selbst nicht, aber ich verstand
es -- das arme Mädchen würde mich lieben, wenn
ich ein Pole wäre -- verstehen Sie, Freund, sie
kann sich eines leichten Schauers nicht erwehren,
wenn sie daran denkt, ach, wenn sie daran denkt,
daß ich ein Jude bin -- --

-- "Gott im Himmel, Du weißt es, welch
ein entsetzlicher Fluch gegen die ganze Welt aus
meinem Herzen stieg, aber der namenlose Jammer,

beſchwor ſie, zu mir zu reden, wie es das Herz ihr
eingebe. Das Mädchen war erſchrocken, war geäng-
ſtigt, ich fühlte es, wie ihre Hand in der meinen
zitterte; ich aber ließ nicht ab von meinem Drän-
gen, und da ſprach ſie denn endlich zögernd und
ſtotternd jene Worte“ —

Joel hielt den Athem an, als müſſe alles Leben
ſtill ſtehen in ſeinem Körper, er ſchloß die Augen,
und drückte krampfhaft die Hand ſeines Freundes.
Aber nach einer kurzen Pauſe fuhr er mit gefaßter,
aber noch leiſerer Stimme fort:

„Hedwig ſagte, ſie habe mich gern, ſie habe
mich lieb, aber ich ängſtigte ſie mit ſolcher Leiden-
ſchaft. Kurz — ſie hat es nicht ausgeſprochen,
ſie weiß es vielleicht ſelbſt nicht, aber ich verſtand
es — das arme Mädchen würde mich lieben, wenn
ich ein Pole wäre — verſtehen Sie, Freund, ſie
kann ſich eines leichten Schauers nicht erwehren,
wenn ſie daran denkt, ach, wenn ſie daran denkt,
daß ich ein Jude bin — —

— „Gott im Himmel, Du weißt es, welch
ein entſetzlicher Fluch gegen die ganze Welt aus
meinem Herzen ſtieg, aber der namenloſe Jammer,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0246" n="236"/>
be&#x017F;chwor &#x017F;ie, zu mir zu reden, wie es das Herz ihr<lb/>
eingebe. Das Mädchen war er&#x017F;chrocken, war geäng-<lb/>
&#x017F;tigt, ich fühlte es, wie ihre Hand in der meinen<lb/>
zitterte; ich aber ließ nicht ab von meinem Drän-<lb/>
gen, und da &#x017F;prach &#x017F;ie denn endlich zögernd und<lb/>
&#x017F;totternd jene Worte&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Joel hielt den Athem an, als mü&#x017F;&#x017F;e alles Leben<lb/>
&#x017F;till &#x017F;tehen in &#x017F;einem Körper, er &#x017F;chloß die Augen,<lb/>
und drückte krampfhaft die Hand &#x017F;eines Freundes.<lb/>
Aber nach einer kurzen Pau&#x017F;e fuhr er mit gefaßter,<lb/>
aber noch lei&#x017F;erer Stimme fort:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Hedwig &#x017F;agte, &#x017F;ie habe mich gern, &#x017F;ie habe<lb/>
mich lieb, aber ich äng&#x017F;tigte &#x017F;ie mit &#x017F;olcher Leiden-<lb/>
&#x017F;chaft. Kurz &#x2014; &#x017F;ie hat es nicht ausge&#x017F;prochen,<lb/>
&#x017F;ie weiß es vielleicht &#x017F;elb&#x017F;t nicht, aber ich ver&#x017F;tand<lb/>
es &#x2014; das arme Mädchen würde mich lieben, wenn<lb/>
ich ein Pole wäre &#x2014; ver&#x017F;tehen Sie, Freund, &#x017F;ie<lb/>
kann &#x017F;ich eines leichten Schauers nicht erwehren,<lb/>
wenn &#x017F;ie daran denkt, ach, wenn &#x017F;ie daran denkt,<lb/>
daß ich ein Jude bin &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x2014; &#x201E;Gott im Himmel, Du weißt es, welch<lb/>
ein ent&#x017F;etzlicher Fluch gegen die ganze Welt aus<lb/>
meinem Herzen &#x017F;tieg, aber der namenlo&#x017F;e Jammer,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0246] beſchwor ſie, zu mir zu reden, wie es das Herz ihr eingebe. Das Mädchen war erſchrocken, war geäng- ſtigt, ich fühlte es, wie ihre Hand in der meinen zitterte; ich aber ließ nicht ab von meinem Drän- gen, und da ſprach ſie denn endlich zögernd und ſtotternd jene Worte“ — Joel hielt den Athem an, als müſſe alles Leben ſtill ſtehen in ſeinem Körper, er ſchloß die Augen, und drückte krampfhaft die Hand ſeines Freundes. Aber nach einer kurzen Pauſe fuhr er mit gefaßter, aber noch leiſerer Stimme fort: „Hedwig ſagte, ſie habe mich gern, ſie habe mich lieb, aber ich ängſtigte ſie mit ſolcher Leiden- ſchaft. Kurz — ſie hat es nicht ausgeſprochen, ſie weiß es vielleicht ſelbſt nicht, aber ich verſtand es — das arme Mädchen würde mich lieben, wenn ich ein Pole wäre — verſtehen Sie, Freund, ſie kann ſich eines leichten Schauers nicht erwehren, wenn ſie daran denkt, ach, wenn ſie daran denkt, daß ich ein Jude bin — — — „Gott im Himmel, Du weißt es, welch ein entſetzlicher Fluch gegen die ganze Welt aus meinem Herzen ſtieg, aber der namenloſe Jammer,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/246
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/246>, abgerufen am 05.12.2024.