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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

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bewerkstelligen sei, da erhob sich seine Stimme, und
er sang ein altes Lied. Sie mußte es kennen: in
jener warmen Liebeszeit auf Grünschloß, wo Alles
mit Küssen in den Augen und auf den Lippen
durcheinander lief, da hatte man es oft in stillen
Abendstunden aus den Gebüschen des Gartens drin-
gen hören.

Es regte sich nichts in der Straße, und sie
mußte in ihrer Abgeschiedenheit seine Stimme klar
und deutlich vernehmen.

Herz, mein Herz, was soll das geben?
Was bedränget Dich so sehr?
Welch ein fremdes, neues Leben!
Jch erkenne Dich nicht mehr.
Weg ist Alles, was Du liebtest,
Weg, warum Du Dich betrübtest,
Weg Dein Fleiß und Deine Ruh' --
Ach, wie kamst Du nur dazu!
Fesselt Dich die Jugendblüthe,
Diese liebliche Gestalt,
Dieser Blick voll Treu und Güte,
Mit unendlicher Gewalt?

bewerkſtelligen ſei, da erhob ſich ſeine Stimme, und
er ſang ein altes Lied. Sie mußte es kennen: in
jener warmen Liebeszeit auf Grünſchloß, wo Alles
mit Küſſen in den Augen und auf den Lippen
durcheinander lief, da hatte man es oft in ſtillen
Abendſtunden aus den Gebüſchen des Gartens drin-
gen hören.

Es regte ſich nichts in der Straße, und ſie
mußte in ihrer Abgeſchiedenheit ſeine Stimme klar
und deutlich vernehmen.

Herz, mein Herz, was ſoll das geben?
Was bedränget Dich ſo ſehr?
Welch ein fremdes, neues Leben!
Jch erkenne Dich nicht mehr.
Weg iſt Alles, was Du liebteſt,
Weg, warum Du Dich betrübteſt,
Weg Dein Fleiß und Deine Ruh’ —
Ach, wie kamſt Du nur dazu!
Feſſelt Dich die Jugendblüthe,
Dieſe liebliche Geſtalt,
Dieſer Blick voll Treu und Güte,
Mit unendlicher Gewalt?
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[226/0236] bewerkſtelligen ſei, da erhob ſich ſeine Stimme, und er ſang ein altes Lied. Sie mußte es kennen: in jener warmen Liebeszeit auf Grünſchloß, wo Alles mit Küſſen in den Augen und auf den Lippen durcheinander lief, da hatte man es oft in ſtillen Abendſtunden aus den Gebüſchen des Gartens drin- gen hören. Es regte ſich nichts in der Straße, und ſie mußte in ihrer Abgeſchiedenheit ſeine Stimme klar und deutlich vernehmen. Herz, mein Herz, was ſoll das geben? Was bedränget Dich ſo ſehr? Welch ein fremdes, neues Leben! Jch erkenne Dich nicht mehr. Weg iſt Alles, was Du liebteſt, Weg, warum Du Dich betrübteſt, Weg Dein Fleiß und Deine Ruh’ — Ach, wie kamſt Du nur dazu! Feſſelt Dich die Jugendblüthe, Dieſe liebliche Geſtalt, Dieſer Blick voll Treu und Güte, Mit unendlicher Gewalt?

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/236>, abgerufen am 04.12.2024.