Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

strahlenden Augen. Valerius hatte sein inniges Ver-
gnügen an diesem Anblick. Sein krankhafter Zustand
war in der letzten Zeit so groß geworden, daß auch
die weibliche Schönheit keinen Reiz für ihn hatte,
nur die vollendetsten Formen konnten seinem künst-
lerischen Sinne ein flüchtiges Behagen erwecken, alle
Sinnlichkeit -- und es giebt eine solche von schöner
Art -- hatte völlig in ihm geschwiegen, alles Blut
schien aus ihm gewichen zu sein. Jndeß, die Jugend-
lichkeit Hedwigs war nicht ohne eine Art von Er-
frischung für ihn gewesen -- jetzt sah er zum ersten
Male das schöne herausfordernde Mädchen in ihr,
und der freundliche Gruß, den sie ihm nickte, belebte
seit langer Zeit zum ersten Mal sein Auge mit dem
muntern Wohlgefallen, was der Anblick eines schönen
Mädchens erweckt.

War es ihm doch, als ob er die hohe Frauen-
gestalt, die hinter Hedwig an der Hand des Grafen
Kicki einherschritt, schon irgendwo gesehen! Sein
Blick hatte zu fest auf jener geruht, und die andere
war ihm dunkel wie eine Nebenerscheinung vorüber-
geglitten; der Glanz und das Klirren des Tanzes
zog seinen jetzt erweckten Sinn von Nachdenken ab,

ſtrahlenden Augen. Valerius hatte ſein inniges Ver-
gnügen an dieſem Anblick. Sein krankhafter Zuſtand
war in der letzten Zeit ſo groß geworden, daß auch
die weibliche Schönheit keinen Reiz für ihn hatte,
nur die vollendetſten Formen konnten ſeinem künſt-
leriſchen Sinne ein flüchtiges Behagen erwecken, alle
Sinnlichkeit — und es giebt eine ſolche von ſchöner
Art — hatte völlig in ihm geſchwiegen, alles Blut
ſchien aus ihm gewichen zu ſein. Jndeß, die Jugend-
lichkeit Hedwigs war nicht ohne eine Art von Er-
friſchung für ihn geweſen — jetzt ſah er zum erſten
Male das ſchöne herausfordernde Mädchen in ihr,
und der freundliche Gruß, den ſie ihm nickte, belebte
ſeit langer Zeit zum erſten Mal ſein Auge mit dem
muntern Wohlgefallen, was der Anblick eines ſchönen
Mädchens erweckt.

War es ihm doch, als ob er die hohe Frauen-
geſtalt, die hinter Hedwig an der Hand des Grafen
Kicki einherſchritt, ſchon irgendwo geſehen! Sein
Blick hatte zu feſt auf jener geruht, und die andere
war ihm dunkel wie eine Nebenerſcheinung vorüber-
geglitten; der Glanz und das Klirren des Tanzes
zog ſeinen jetzt erweckten Sinn von Nachdenken ab,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0166" n="156"/>
&#x017F;trahlenden Augen. Valerius hatte &#x017F;ein inniges Ver-<lb/>
gnügen an die&#x017F;em Anblick. Sein krankhafter Zu&#x017F;tand<lb/>
war in der letzten Zeit &#x017F;o groß geworden, daß auch<lb/>
die weibliche Schönheit keinen Reiz für ihn hatte,<lb/>
nur die vollendet&#x017F;ten Formen konnten &#x017F;einem kün&#x017F;t-<lb/>
leri&#x017F;chen Sinne ein flüchtiges Behagen erwecken, alle<lb/>
Sinnlichkeit &#x2014; und es giebt eine &#x017F;olche von &#x017F;chöner<lb/>
Art &#x2014; hatte völlig in ihm ge&#x017F;chwiegen, alles Blut<lb/>
&#x017F;chien aus ihm gewichen zu &#x017F;ein. Jndeß, die Jugend-<lb/>
lichkeit Hedwigs war nicht ohne eine Art von Er-<lb/>
fri&#x017F;chung für ihn gewe&#x017F;en &#x2014; jetzt &#x017F;ah er zum er&#x017F;ten<lb/>
Male das &#x017F;chöne herausfordernde Mädchen in ihr,<lb/>
und der freundliche Gruß, den &#x017F;ie ihm nickte, belebte<lb/>
&#x017F;eit langer Zeit zum er&#x017F;ten Mal &#x017F;ein Auge mit dem<lb/>
muntern Wohlgefallen, was der Anblick eines &#x017F;chönen<lb/>
Mädchens erweckt.</p><lb/>
          <p>War es ihm doch, als ob er die hohe Frauen-<lb/>
ge&#x017F;talt, die hinter Hedwig an der Hand des Grafen<lb/>
Kicki einher&#x017F;chritt, &#x017F;chon irgendwo ge&#x017F;ehen! Sein<lb/>
Blick hatte zu fe&#x017F;t auf jener geruht, und die andere<lb/>
war ihm dunkel wie eine Nebener&#x017F;cheinung vorüber-<lb/>
geglitten; der Glanz und das Klirren des Tanzes<lb/>
zog &#x017F;einen jetzt erweckten Sinn von Nachdenken ab,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0166] ſtrahlenden Augen. Valerius hatte ſein inniges Ver- gnügen an dieſem Anblick. Sein krankhafter Zuſtand war in der letzten Zeit ſo groß geworden, daß auch die weibliche Schönheit keinen Reiz für ihn hatte, nur die vollendetſten Formen konnten ſeinem künſt- leriſchen Sinne ein flüchtiges Behagen erwecken, alle Sinnlichkeit — und es giebt eine ſolche von ſchöner Art — hatte völlig in ihm geſchwiegen, alles Blut ſchien aus ihm gewichen zu ſein. Jndeß, die Jugend- lichkeit Hedwigs war nicht ohne eine Art von Er- friſchung für ihn geweſen — jetzt ſah er zum erſten Male das ſchöne herausfordernde Mädchen in ihr, und der freundliche Gruß, den ſie ihm nickte, belebte ſeit langer Zeit zum erſten Mal ſein Auge mit dem muntern Wohlgefallen, was der Anblick eines ſchönen Mädchens erweckt. War es ihm doch, als ob er die hohe Frauen- geſtalt, die hinter Hedwig an der Hand des Grafen Kicki einherſchritt, ſchon irgendwo geſehen! Sein Blick hatte zu feſt auf jener geruht, und die andere war ihm dunkel wie eine Nebenerſcheinung vorüber- geglitten; der Glanz und das Klirren des Tanzes zog ſeinen jetzt erweckten Sinn von Nachdenken ab,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/166
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/166>, abgerufen am 05.12.2024.