selbst wenn Du dagegen zu Felde zögest. Mit der Bi¬ bel geht es mir -- so weit ich sie kenne, -- auch wunderlich. Als ein heiliges Buch, das an sich Ver¬ ehrung fordert, konnte ich sie lange nicht leiden, denn ein Buch, meinte ich, bleibe doch ein Buch und könne durch ein Buch in den Sand gestreckt werden; aber als episches Gedicht steht sie mir unnennbar hoch und ist mir außerordentlich lieb. "Da kam ein König in Aegypten auf, der wußte nichts von Joseph." -- Kann das Verschlungenwerden durch die Zeit rührender ausgedrückt werden?
-- Manche Stunden giebt es indeß noch, Freund, wo ich mir selbst mit meinen überaus vernünftigen An¬ sichten wie ein bei der Gewerbschule angestellter Regie¬ rungsrath vorkomme. Ich habe an meinen Vater um Versöhnung und Vergebung geschrieben, und denke meine juristische Carriere wieder aufzunehmen. Meine Tollhei¬ ten in Paris kennt bei mir zu Lande Niemand.
Was Einem wohl das stete Ringen, Lesen, Den¬ ken, Recensiren, Recensirtwerden nützt? -- eben daß man ringt, denkt, lies't etc. -- daß man etwas zu thun hat, sowie das gemähte Gras wieder wächst, um wieder gemäht zu werden. Was verstehst Du unter
ſelbſt wenn Du dagegen zu Felde zögeſt. Mit der Bi¬ bel geht es mir — ſo weit ich ſie kenne, — auch wunderlich. Als ein heiliges Buch, das an ſich Ver¬ ehrung fordert, konnte ich ſie lange nicht leiden, denn ein Buch, meinte ich, bleibe doch ein Buch und könne durch ein Buch in den Sand geſtreckt werden; aber als epiſches Gedicht ſteht ſie mir unnennbar hoch und iſt mir außerordentlich lieb. „Da kam ein König in Aegypten auf, der wußte nichts von Joſeph.“ — Kann das Verſchlungenwerden durch die Zeit rührender ausgedrückt werden?
— Manche Stunden giebt es indeß noch, Freund, wo ich mir ſelbſt mit meinen überaus vernünftigen An¬ ſichten wie ein bei der Gewerbſchule angeſtellter Regie¬ rungsrath vorkomme. Ich habe an meinen Vater um Verſöhnung und Vergebung geſchrieben, und denke meine juriſtiſche Carrière wieder aufzunehmen. Meine Tollhei¬ ten in Paris kennt bei mir zu Lande Niemand.
Was Einem wohl das ſtete Ringen, Leſen, Den¬ ken, Recenſiren, Recenſirtwerden nützt? — eben daß man ringt, denkt, lieſ't ꝛc. — daß man etwas zu thun hat, ſowie das gemähte Gras wieder wächſt, um wieder gemäht zu werden. Was verſtehſt Du unter
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ſelbſt wenn Du dagegen zu Felde zögeſt. Mit der Bi¬
bel geht es mir — ſo weit ich ſie kenne, — auch
wunderlich. Als ein heiliges Buch, das an ſich Ver¬
ehrung fordert, konnte ich ſie lange nicht leiden, denn
ein Buch, meinte ich, bleibe doch ein Buch und könne
durch ein Buch in den Sand geſtreckt werden; aber als
epiſches Gedicht ſteht ſie mir unnennbar hoch und
iſt mir außerordentlich lieb. „Da kam ein König in
Aegypten auf, der wußte nichts von Joſeph.“ —
Kann das Verſchlungenwerden durch die Zeit rührender
ausgedrückt werden?
— Manche Stunden giebt es indeß noch, Freund,
wo ich mir ſelbſt mit meinen überaus vernünftigen An¬
ſichten wie ein bei der Gewerbſchule angeſtellter Regie¬
rungsrath vorkomme. Ich habe an meinen Vater um
Verſöhnung und Vergebung geſchrieben, und denke meine
juriſtiſche Carrière wieder aufzunehmen. Meine Tollhei¬
ten in Paris kennt bei mir zu Lande Niemand.
Was Einem wohl das ſtete Ringen, Leſen, Den¬
ken, Recenſiren, Recenſirtwerden nützt? — eben daß
man ringt, denkt, lieſ't ꝛc. — daß man etwas zu
thun hat, ſowie das gemähte Gras wieder wächſt, um
wieder gemäht zu werden. Was verſtehſt Du unter
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/89>, abgerufen am 16.02.2025.
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