Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite
19.
Camilla an Ludovico.

Ich habe Unrecht gegen Sie, Ihre gegen mich ge¬
richteten Vorwürfe sind gerecht. Aber ehrlich und offen
will ich gegen Sie bleiben; Sie haben mir Ihre Liebe
und Hand angetragen, Sie haben mich damals über¬
rascht, ich war ein unerfahren Ding; ich wußte nicht,
was ich versprach. Warum mußten Sie aber auch so
lang' von mir bleiben; warum kamen Sie nicht, wie
Sie versprachen, dies Frühjahr! Wie viel Schmerz
wäre mir erspart worden. Ich habe die Treue gegen
Sie gebrochen. Ihr Verlobungsring liegt im Kasten.
Fürchten Sie nicht die Nachricht eines Excesses, es gilt
nur die Treue meines Herzens. Valerius, ein Poet,
kam zu uns, er warb um Niemand, lebte ruhig, harm¬
los, dem Anschein nach ohne Wunsch, ohne Verlangen
nach irgend etwas an unsrer Seite und gewann sich
somit das, was er nicht suchte, unsre Theilnahme.
Ich hatte ihn gern, und nur zuweilen dämmerte die Ver¬
muthung in mir auf, daß er Ihnen gefährlich werden

19.
Camilla an Ludovico.

Ich habe Unrecht gegen Sie, Ihre gegen mich ge¬
richteten Vorwürfe ſind gerecht. Aber ehrlich und offen
will ich gegen Sie bleiben; Sie haben mir Ihre Liebe
und Hand angetragen, Sie haben mich damals über¬
raſcht, ich war ein unerfahren Ding; ich wußte nicht,
was ich verſprach. Warum mußten Sie aber auch ſo
lang' von mir bleiben; warum kamen Sie nicht, wie
Sie verſprachen, dies Frühjahr! Wie viel Schmerz
wäre mir erſpart worden. Ich habe die Treue gegen
Sie gebrochen. Ihr Verlobungsring liegt im Kaſten.
Fürchten Sie nicht die Nachricht eines Exceſſes, es gilt
nur die Treue meines Herzens. Valerius, ein Poet,
kam zu uns, er warb um Niemand, lebte ruhig, harm¬
los, dem Anſchein nach ohne Wunſch, ohne Verlangen
nach irgend etwas an unſrer Seite und gewann ſich
ſomit das, was er nicht ſuchte, unſre Theilnahme.
Ich hatte ihn gern, und nur zuweilen dämmerte die Ver¬
muthung in mir auf, daß er Ihnen gefährlich werden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0048" n="36"/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>19.<lb/><hi rendition="#b #g">Camilla an Ludovico.</hi><lb/></head>
        <dateline rendition="#right">Grün&#x017F;chloß.<lb/></dateline>
        <p>Ich habe Unrecht gegen Sie, Ihre gegen mich ge¬<lb/>
richteten Vorwürfe &#x017F;ind gerecht. Aber ehrlich und offen<lb/>
will ich gegen Sie bleiben; Sie haben mir Ihre Liebe<lb/>
und Hand angetragen, Sie haben mich damals über¬<lb/>
ra&#x017F;cht, ich war ein unerfahren Ding; ich wußte nicht,<lb/>
was ich ver&#x017F;prach. Warum mußten Sie aber auch &#x017F;o<lb/>
lang' von mir bleiben; warum kamen Sie nicht, wie<lb/>
Sie ver&#x017F;prachen, dies Frühjahr! Wie viel Schmerz<lb/>
wäre mir er&#x017F;part worden. Ich habe die Treue gegen<lb/>
Sie gebrochen. Ihr Verlobungsring liegt im Ka&#x017F;ten.<lb/>
Fürchten Sie nicht die Nachricht eines Exce&#x017F;&#x017F;es, es gilt<lb/>
nur die Treue meines Herzens. Valerius, ein Poet,<lb/>
kam zu uns, er warb um Niemand, lebte ruhig, harm¬<lb/>
los, dem An&#x017F;chein nach ohne Wun&#x017F;ch, ohne Verlangen<lb/>
nach irgend etwas an un&#x017F;rer Seite und gewann &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;omit das, was er nicht &#x017F;uchte, un&#x017F;re Theilnahme.<lb/>
Ich hatte ihn gern, und nur zuweilen dämmerte die Ver¬<lb/>
muthung in mir auf, daß er Ihnen gefährlich werden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0048] 19. Camilla an Ludovico. Grünſchloß. Ich habe Unrecht gegen Sie, Ihre gegen mich ge¬ richteten Vorwürfe ſind gerecht. Aber ehrlich und offen will ich gegen Sie bleiben; Sie haben mir Ihre Liebe und Hand angetragen, Sie haben mich damals über¬ raſcht, ich war ein unerfahren Ding; ich wußte nicht, was ich verſprach. Warum mußten Sie aber auch ſo lang' von mir bleiben; warum kamen Sie nicht, wie Sie verſprachen, dies Frühjahr! Wie viel Schmerz wäre mir erſpart worden. Ich habe die Treue gegen Sie gebrochen. Ihr Verlobungsring liegt im Kaſten. Fürchten Sie nicht die Nachricht eines Exceſſes, es gilt nur die Treue meines Herzens. Valerius, ein Poet, kam zu uns, er warb um Niemand, lebte ruhig, harm¬ los, dem Anſchein nach ohne Wunſch, ohne Verlangen nach irgend etwas an unſrer Seite und gewann ſich ſomit das, was er nicht ſuchte, unſre Theilnahme. Ich hatte ihn gern, und nur zuweilen dämmerte die Ver¬ muthung in mir auf, daß er Ihnen gefährlich werden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/48
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/48>, abgerufen am 24.11.2024.