ästhetisches Gefühl, der gewandte Weltmann erfrischt es, schon darum, weil jede Sicherheit im Zuschauenden oder Mitbetheiligten Sicherheit erzeugt. Aber Alles das ist ja nur Blatt und Blüthe der Kultur, die Frucht, der Kern, bleibt ewig die Hauptsache, und des Tölpels schönes gediegenes Wort wird mich immer erquicken, des Weltmannes fades Geschwätz wird mich anekeln, weil der gebildete Mensch eben nicht wie die Ziege von Blättern leben kann, sondern Früchte braucht. Es stellt sich also dar, wie die Anbeter der feinen Manieren oben auf dem Schaum des Fleischtopfes schwimmen, den man abhebt und zur Erde wirft, nachdem er den Koch einige Sekunden durch die Gewißheit erfreut hat, das Fleisch beginne gar zu werden. Sie künden Kul¬ tur an, sind aber keine. Dies Scheinen und Sein, Aeußere und Innere ist der durchlaufende unterschei¬ dende Typus des sogenannten Vornehmen und Ge¬ bildeten. Es kommt dem sogenannten feinen Menschen nicht im Geringsten darauf an, die geistigen Interessen einer Gesellschaft vor den Kopf zu stoßen, wenn er das nur mit einem zierlichen Komplimente thut -- man spreche das Wichtigste, erzähle, lese das Inter¬ essanteste: ein gesellschaftliches Unding, was sich eben
äſthetiſches Gefühl, der gewandte Weltmann erfriſcht es, ſchon darum, weil jede Sicherheit im Zuſchauenden oder Mitbetheiligten Sicherheit erzeugt. Aber Alles das iſt ja nur Blatt und Blüthe der Kultur, die Frucht, der Kern, bleibt ewig die Hauptſache, und des Tölpels ſchönes gediegenes Wort wird mich immer erquicken, des Weltmannes fades Geſchwätz wird mich anekeln, weil der gebildete Menſch eben nicht wie die Ziege von Blättern leben kann, ſondern Früchte braucht. Es ſtellt ſich alſo dar, wie die Anbeter der feinen Manieren oben auf dem Schaum des Fleiſchtopfes ſchwimmen, den man abhebt und zur Erde wirft, nachdem er den Koch einige Sekunden durch die Gewißheit erfreut hat, das Fleiſch beginne gar zu werden. Sie künden Kul¬ tur an, ſind aber keine. Dies Scheinen und Sein, Aeußere und Innere iſt der durchlaufende unterſchei¬ dende Typus des ſogenannten Vornehmen und Ge¬ bildeten. Es kommt dem ſogenannten feinen Menſchen nicht im Geringſten darauf an, die geiſtigen Intereſſen einer Geſellſchaft vor den Kopf zu ſtoßen, wenn er das nur mit einem zierlichen Komplimente thut — man ſpreche das Wichtigſte, erzähle, leſe das Inter¬ eſſanteſte: ein geſellſchaftliches Unding, was ſich eben
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äſthetiſches Gefühl, der gewandte Weltmann erfriſcht es,
ſchon darum, weil jede Sicherheit im Zuſchauenden
oder Mitbetheiligten Sicherheit erzeugt. Aber Alles das
iſt ja nur Blatt und Blüthe der Kultur, die Frucht,
der Kern, bleibt ewig die Hauptſache, und des Tölpels
ſchönes gediegenes Wort wird mich immer erquicken,
des Weltmannes fades Geſchwätz wird mich anekeln, weil
der gebildete Menſch eben nicht wie die Ziege von
Blättern leben kann, ſondern Früchte braucht. Es ſtellt
ſich alſo dar, wie die Anbeter der feinen Manieren
oben auf dem Schaum des Fleiſchtopfes ſchwimmen,
den man abhebt und zur Erde wirft, nachdem er den
Koch einige Sekunden durch die Gewißheit erfreut hat,
das Fleiſch beginne gar zu werden. Sie künden Kul¬
tur an, ſind aber keine. Dies Scheinen und Sein,
Aeußere und Innere iſt der durchlaufende unterſchei¬
dende Typus des ſogenannten Vornehmen und Ge¬
bildeten. Es kommt dem ſogenannten feinen Menſchen
nicht im Geringſten darauf an, die geiſtigen Intereſſen
einer Geſellſchaft vor den Kopf zu ſtoßen, wenn er
das nur mit einem zierlichen Komplimente thut —
man ſpreche das Wichtigſte, erzähle, leſe das Inter¬
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/45>, abgerufen am 16.02.2025.
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