mit die große Spannung und Zerrissenheit der Gesell¬ schaft zugedeckt werde. Höre eines derselben.
William behauptet in seinem Grimm, daß die häusliche Einrichtung in den höheren Bürgerhäusern be¬ quemer sei, als in den meisten sogenannten vornehmen, adlichen Häusern; der Adel wohne oft schöner, aber selten so gut als der wohlhabende Bürgerliche. Fips nahm die plump angefangene Sache eben so plump auf, und reizte mich, sie fortzuführen. Ich sagte, der Vornehme kenne die häuslichen, kleineren, fast trivial aussehenden Bequemlichkeiten im Leben selten -- er wohne vielleicht in der brillantesten Stube, aber es sei in der ganzen Stube kein wollüstiger Winkel, wo er sich im Körper oder Faulheitsdrange ganz ausstrecken könne, es seien so viel Herrlichkeiten aufgehäuft, daß er etwas zu zer¬ schlagen fürchte, es fehle das Lauschige, Behagliche der Wohnung, eine Hauptblüthe der Kultur, die Horazische Vermischung des Nützlichen mit dem Angenehmen, des Angenehmen mit dem Schönen, die Hauptsumme all dieser Dinge: das Bequeme gehe den sogenannten Vor¬ nehmen meist ab. Sie leben ewig im Frack -- war ich keck genug zuzusetzen -- sie gehen auch zu Hause in kurzen seidnen Strümpfen umher, mit denen man
mit die große Spannung und Zerriſſenheit der Geſell¬ ſchaft zugedeckt werde. Höre eines derſelben.
William behauptet in ſeinem Grimm, daß die häusliche Einrichtung in den höheren Bürgerhäuſern be¬ quemer ſei, als in den meiſten ſogenannten vornehmen, adlichen Häuſern; der Adel wohne oft ſchöner, aber ſelten ſo gut als der wohlhabende Bürgerliche. Fips nahm die plump angefangene Sache eben ſo plump auf, und reizte mich, ſie fortzuführen. Ich ſagte, der Vornehme kenne die häuslichen, kleineren, faſt trivial ausſehenden Bequemlichkeiten im Leben ſelten — er wohne vielleicht in der brillanteſten Stube, aber es ſei in der ganzen Stube kein wollüſtiger Winkel, wo er ſich im Körper oder Faulheitsdrange ganz ausſtrecken könne, es ſeien ſo viel Herrlichkeiten aufgehäuft, daß er etwas zu zer¬ ſchlagen fürchte, es fehle das Lauſchige, Behagliche der Wohnung, eine Hauptblüthe der Kultur, die Horaziſche Vermiſchung des Nützlichen mit dem Angenehmen, des Angenehmen mit dem Schönen, die Hauptſumme all dieſer Dinge: das Bequeme gehe den ſogenannten Vor¬ nehmen meiſt ab. Sie leben ewig im Frack — war ich keck genug zuzuſetzen — ſie gehen auch zu Hauſe in kurzen ſeidnen Strümpfen umher, mit denen man
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mit die große Spannung und Zerriſſenheit der Geſell¬
ſchaft zugedeckt werde. Höre eines derſelben.
William behauptet in ſeinem Grimm, daß die
häusliche Einrichtung in den höheren Bürgerhäuſern be¬
quemer ſei, als in den meiſten ſogenannten vornehmen,
adlichen Häuſern; der Adel wohne oft ſchöner, aber ſelten
ſo gut als der wohlhabende Bürgerliche. Fips nahm
die plump angefangene Sache eben ſo plump auf, und
reizte mich, ſie fortzuführen. Ich ſagte, der Vornehme
kenne die häuslichen, kleineren, faſt trivial ausſehenden
Bequemlichkeiten im Leben ſelten — er wohne vielleicht
in der brillanteſten Stube, aber es ſei in der ganzen
Stube kein wollüſtiger Winkel, wo er ſich im Körper
oder Faulheitsdrange ganz ausſtrecken könne, es ſeien
ſo viel Herrlichkeiten aufgehäuft, daß er etwas zu zer¬
ſchlagen fürchte, es fehle das Lauſchige, Behagliche der
Wohnung, eine Hauptblüthe der Kultur, die Horaziſche
Vermiſchung des Nützlichen mit dem Angenehmen, des
Angenehmen mit dem Schönen, die Hauptſumme all
dieſer Dinge: das Bequeme gehe den ſogenannten Vor¬
nehmen meiſt ab. Sie leben ewig im Frack — war
ich keck genug zuzuſetzen — ſie gehen auch zu Hauſe
in kurzen ſeidnen Strümpfen umher, mit denen man
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/36>, abgerufen am 16.02.2025.
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