die Unterhaltungen, welche er mit den Damen anknüpft, schnappen auch stets in großer Geschwindigkeit ab; bei Hyppolit muß er befürchten, gar keine Antwort zu be¬ kommen. Leopold, den er manchmal gern zum Besten haben möchte, verwickelt ihn in poetische Gespräche, aus denen er keinen Ausweg findet; mich hat er nie recht leiden mögen, nach einem neulichen Gespräch über Adel, feine Manieren etc., was ich Dir später mittheilen werde, haßt er mich unzweifelhaft entschieden; er läuft wie ein verlorner Gedanke aus vergangner Zeit unter lauter fremden Büchern herum, rückt seine Brille, zupft den braunen Frack in die Taille, ist ein Laffe -- das sind seine Vergnügen. Seit wir ein demokratisches Treiben bei Tisch vorgeschlagen haben, ist er ganz sprachlos. Man aß früher an langer Tafel, und in den Sitzen herrschte eine Art Rangordnung. Wir stellten dem Gra¬ fen vor, daß alles Schöne und Große rund sei, alle Ecken würden heutiges Tages abgeschliffen -- den Tag drauf speis'ten wir an einem runden Tische und setzten uns, wie's eben kommt. Der Graf hat sich nur aus¬ bedungen, daß ich immer neben ihm sitze, und da wir immer zusammenschwatzen, so sitzt Camilla fast immer zu meiner andern Seite, sie müßte denn böse auf mich
die Unterhaltungen, welche er mit den Damen anknüpft, ſchnappen auch ſtets in großer Geſchwindigkeit ab; bei Hyppolit muß er befürchten, gar keine Antwort zu be¬ kommen. Leopold, den er manchmal gern zum Beſten haben möchte, verwickelt ihn in poetiſche Geſpräche, aus denen er keinen Ausweg findet; mich hat er nie recht leiden mögen, nach einem neulichen Geſpräch über Adel, feine Manieren ꝛc., was ich Dir ſpäter mittheilen werde, haßt er mich unzweifelhaft entſchieden; er läuft wie ein verlorner Gedanke aus vergangner Zeit unter lauter fremden Büchern herum, rückt ſeine Brille, zupft den braunen Frack in die Taille, iſt ein Laffe — das ſind ſeine Vergnügen. Seit wir ein demokratiſches Treiben bei Tiſch vorgeſchlagen haben, iſt er ganz ſprachlos. Man aß früher an langer Tafel, und in den Sitzen herrſchte eine Art Rangordnung. Wir ſtellten dem Gra¬ fen vor, daß alles Schöne und Große rund ſei, alle Ecken würden heutiges Tages abgeſchliffen — den Tag drauf ſpeiſ'ten wir an einem runden Tiſche und ſetzten uns, wie's eben kommt. Der Graf hat ſich nur aus¬ bedungen, daß ich immer neben ihm ſitze, und da wir immer zuſammenſchwatzen, ſo ſitzt Camilla faſt immer zu meiner andern Seite, ſie müßte denn böſe auf mich
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die Unterhaltungen, welche er mit den Damen anknüpft,
ſchnappen auch ſtets in großer Geſchwindigkeit ab; bei
Hyppolit muß er befürchten, gar keine Antwort zu be¬
kommen. Leopold, den er manchmal gern zum Beſten
haben möchte, verwickelt ihn in poetiſche Geſpräche, aus
denen er keinen Ausweg findet; mich hat er nie recht
leiden mögen, nach einem neulichen Geſpräch über Adel,
feine Manieren ꝛc., was ich Dir ſpäter mittheilen werde,
haßt er mich unzweifelhaft entſchieden; er läuft wie ein
verlorner Gedanke aus vergangner Zeit unter lauter
fremden Büchern herum, rückt ſeine Brille, zupft den
braunen Frack in die Taille, iſt ein Laffe — das ſind
ſeine Vergnügen. Seit wir ein demokratiſches Treiben
bei Tiſch vorgeſchlagen haben, iſt er ganz ſprachlos.
Man aß früher an langer Tafel, und in den Sitzen
herrſchte eine Art Rangordnung. Wir ſtellten dem Gra¬
fen vor, daß alles Schöne und Große rund ſei, alle
Ecken würden heutiges Tages abgeſchliffen — den Tag
drauf ſpeiſ'ten wir an einem runden Tiſche und ſetzten
uns, wie's eben kommt. Der Graf hat ſich nur aus¬
bedungen, daß ich immer neben ihm ſitze, und da wir
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/29>, abgerufen am 22.07.2024.
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