sind die Elemente der Schönheit und diese soll ja un¬ ser Streben, unser Endziel sein. Der Mann schafft, zeugt, producirt, wir reproduciren, wir ordnen das Ge¬ schaffne. Ich halte es für thöricht, wenn eine Frau nicht wie Göthe allen unerquicklichen Lärm, alle Unruh, ja allen Wechsel fern von sich hält, selbst mit Aufopfe¬ rung des Reizes; die Empfänglichkeit wird durch große Gaben verwöhnt, die feinen Organe, welche sonst bei den kleinsten Luftströmungen beben, werden abge¬ stumpft. Ich halte aber darum auch Göthe für eine neue Art Halbgott, d. h. ich glaube, das Beste des Weibes war in ihm aufgenommen und durch seine edle Männlichkeit verherrlicht, gehoben. Zum plumpen Han¬ deln würde er nie getaugt haben." -- Dabei spielte die kleine fleischige Hand, die sich weich senkend an den schönen Arm schließt, mit den Blättern des Tasso und das Auge ruhte auf mir wie das der schönen Prinzessin Leonore. Ich fühlte Tasso's Vergehen in mir und hätte sie gern umarmt, wenigstens die schönste Hand und den verführerischen Arm geküßt. In ihre Ideen eingehend beschrieb ich ihr meine Entwicklung und die allmählige Reaktion, wie Du es nennen magst -- das freute sie sehr und sie erwähnte mehrmal, warum Du mit Deiner
ſind die Elemente der Schönheit und dieſe ſoll ja un¬ ſer Streben, unſer Endziel ſein. Der Mann ſchafft, zeugt, producirt, wir reproduciren, wir ordnen das Ge¬ ſchaffne. Ich halte es für thöricht, wenn eine Frau nicht wie Göthe allen unerquicklichen Lärm, alle Unruh, ja allen Wechſel fern von ſich hält, ſelbſt mit Aufopfe¬ rung des Reizes; die Empfänglichkeit wird durch große Gaben verwöhnt, die feinen Organe, welche ſonſt bei den kleinſten Luftſtrömungen beben, werden abge¬ ſtumpft. Ich halte aber darum auch Göthe für eine neue Art Halbgott, d. h. ich glaube, das Beſte des Weibes war in ihm aufgenommen und durch ſeine edle Männlichkeit verherrlicht, gehoben. Zum plumpen Han¬ deln würde er nie getaugt haben.“ — Dabei ſpielte die kleine fleiſchige Hand, die ſich weich ſenkend an den ſchönen Arm ſchließt, mit den Blättern des Taſſo und das Auge ruhte auf mir wie das der ſchönen Prinzeſſin Leonore. Ich fühlte Taſſo's Vergehen in mir und hätte ſie gern umarmt, wenigſtens die ſchönſte Hand und den verführeriſchen Arm geküßt. In ihre Ideen eingehend beſchrieb ich ihr meine Entwicklung und die allmählige Reaktion, wie Du es nennen magſt — das freute ſie ſehr und ſie erwähnte mehrmal, warum Du mit Deiner
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ſind die Elemente der Schönheit und dieſe ſoll ja un¬
ſer Streben, unſer Endziel ſein. Der Mann ſchafft,
zeugt, producirt, wir reproduciren, wir ordnen das Ge¬
ſchaffne. Ich halte es für thöricht, wenn eine Frau
nicht wie Göthe allen unerquicklichen Lärm, alle Unruh,
ja allen Wechſel fern von ſich hält, ſelbſt mit Aufopfe¬
rung des Reizes; die Empfänglichkeit wird durch große
Gaben verwöhnt, die feinen Organe, welche ſonſt bei
den kleinſten Luftſtrömungen beben, werden abge¬
ſtumpft. Ich halte aber darum auch Göthe für eine
neue Art Halbgott, d. h. ich glaube, das Beſte des
Weibes war in ihm aufgenommen und durch ſeine edle
Männlichkeit verherrlicht, gehoben. Zum plumpen Han¬
deln würde er nie getaugt haben.“ — Dabei ſpielte
die kleine fleiſchige Hand, die ſich weich ſenkend an den
ſchönen Arm ſchließt, mit den Blättern des Taſſo und
das Auge ruhte auf mir wie das der ſchönen Prinzeſſin
Leonore. Ich fühlte Taſſo's Vergehen in mir und hätte
ſie gern umarmt, wenigſtens die ſchönſte Hand und den
verführeriſchen Arm geküßt. In ihre Ideen eingehend
beſchrieb ich ihr meine Entwicklung und die allmählige
Reaktion, wie Du es nennen magſt — das freute ſie
ſehr und ſie erwähnte mehrmal, warum Du mit Deiner
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/186>, abgerufen am 16.02.2025.
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