Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.renden Totes, lag das einst so schöne Weib auf dem II. 7
renden Totes, lag das einſt ſo ſchöne Weib auf dem II. 7
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0157" n="145"/> renden Totes, lag das einſt ſo ſchöne Weib auf dem<lb/> Lager. Die langen ſchwarzen Flechten hingen aufgelöſt<lb/> über Geſicht und Schultern und das weiße Nachtkleid<lb/> herunter, die weichen Züge des Antlitzes waren ſpitz<lb/> und ſchmerzhaft geworden; der Mund, ſonſt lieblich wie<lb/> ein Liebeslied, war vrrzogen, nur das Auge mit ſeiner<lb/> ewigen Liebe war derſelbe Stern geblieben, der nur bei<lb/> heranbrechendem Tageslichte matter ſchien. Sie ſprach<lb/> nichts, als ich eintrat, es ſchien ſie gar nicht zu über¬<lb/> raſchen; als ich an ihr Bett trat, nickte ſie kaum merk¬<lb/> lich mit dem Haupte und lispelte: „Nicht wahr, Hyp¬<lb/> polit, es kann mir doch Niemand wehren Dich zu lie¬<lb/> ben?“ Die heißen Thränen — ja Freund, es waren<lb/> heiße Thränen aus dem Kern meines Herzens — ſtürz¬<lb/> ten aus meinen Augen <choice><sic>anf</sic><corr>auf</corr></choice> ihre abgemagerte Hand:<lb/> „Biſt ja heut ſo lang bei der Fürſtin geweſen“ —<lb/> ſagte ſie weiter, ein zweiſchneidig Schwerdt wühlte in<lb/> meinem Innern — „Du haſt mich heut nicht geſehen<lb/> und ich habe die Desdemona gut geſpielt, ſo wie Du<lb/> michs gelehrt.“ Ich fühlte einen krampfhaften Druck<lb/> in meiner Hand, ſie holte tief Athem, der Mund war<lb/> wieder Liebe und lächelte, das Auge ſtrahlte alte Glück¬<lb/> ſeligkeit, ich hörte noch leiſe, ganz leiſe die Worte: „Ach<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi>. 7<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [145/0157]
renden Totes, lag das einſt ſo ſchöne Weib auf dem
Lager. Die langen ſchwarzen Flechten hingen aufgelöſt
über Geſicht und Schultern und das weiße Nachtkleid
herunter, die weichen Züge des Antlitzes waren ſpitz
und ſchmerzhaft geworden; der Mund, ſonſt lieblich wie
ein Liebeslied, war vrrzogen, nur das Auge mit ſeiner
ewigen Liebe war derſelbe Stern geblieben, der nur bei
heranbrechendem Tageslichte matter ſchien. Sie ſprach
nichts, als ich eintrat, es ſchien ſie gar nicht zu über¬
raſchen; als ich an ihr Bett trat, nickte ſie kaum merk¬
lich mit dem Haupte und lispelte: „Nicht wahr, Hyp¬
polit, es kann mir doch Niemand wehren Dich zu lie¬
ben?“ Die heißen Thränen — ja Freund, es waren
heiße Thränen aus dem Kern meines Herzens — ſtürz¬
ten aus meinen Augen auf ihre abgemagerte Hand:
„Biſt ja heut ſo lang bei der Fürſtin geweſen“ —
ſagte ſie weiter, ein zweiſchneidig Schwerdt wühlte in
meinem Innern — „Du haſt mich heut nicht geſehen
und ich habe die Desdemona gut geſpielt, ſo wie Du
michs gelehrt.“ Ich fühlte einen krampfhaften Druck
in meiner Hand, ſie holte tief Athem, der Mund war
wieder Liebe und lächelte, das Auge ſtrahlte alte Glück¬
ſeligkeit, ich hörte noch leiſe, ganz leiſe die Worte: „Ach
II. 7
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