aus ihrem Zimmer und die Guitarre fragte schelmisch, ob sie recht gekleidet gingen. Es war ein sonniger Sonn¬ tagsmorgen, die Landleute gingen geputzt zur Kirche; ich schaukelte mich auf den zauberhaften Reimen der Schö¬ pfung. Da schlüpft Amelie vor meinen Augen in den Garten, ich hörte die Thür des Pavillons öffnen. Ich ging, ich flog hinunter und sah aus dem Gebüsch durch die Fenster des Gartenhauses. Sie stand an einen Pfeiler gelehnt, hielt ein Buch in der Hand, las ab¬ wechselnd und sah in den Himmel. Ich kannte den Einband; es waren Ludovico Tieks Gedichte. Amelie trug ein rosenrothes Kleid, ihre langen blonden Locken fielen a l'enfant wie des Sonnengottes Strahlen auf die Schulter, eine Lilie sah mit unschuldigem Auge aus ihnen hervor. Die Prinzessin ist schlank und leicht wie eine Gazelle, ihre Haut ist weiß wie Federgewölk, ihr Mund süß und klein wie ein Liebeswort, und die schma¬ len Lippen bebten, als spräche sie einen beflügelten Vers in die Lüfte. Ich sprang zu ihr, stürzte zu ihren Fü¬ ßen, bedeckte mit Küssen die kleine Hand, weinte vor Liebe, umfaßte ihre Knie und drückte meinen Kopf dar¬ an. Ich weiß nicht wie es weiter geschah, ihre Hand fühlt' ich an meiner Wange, sie lag bald an mei¬
aus ihrem Zimmer und die Guitarre fragte ſchelmiſch, ob ſie recht gekleidet gingen. Es war ein ſonniger Sonn¬ tagsmorgen, die Landleute gingen geputzt zur Kirche; ich ſchaukelte mich auf den zauberhaften Reimen der Schö¬ pfung. Da ſchlüpft Amelie vor meinen Augen in den Garten, ich hörte die Thür des Pavillons öffnen. Ich ging, ich flog hinunter und ſah aus dem Gebüſch durch die Fenſter des Gartenhauſes. Sie ſtand an einen Pfeiler gelehnt, hielt ein Buch in der Hand, las ab¬ wechſelnd und ſah in den Himmel. Ich kannte den Einband; es waren Ludovico Tieks Gedichte. Amelie trug ein roſenrothes Kleid, ihre langen blonden Locken fielen à l'enfant wie des Sonnengottes Strahlen auf die Schulter, eine Lilie ſah mit unſchuldigem Auge aus ihnen hervor. Die Prinzeſſin iſt ſchlank und leicht wie eine Gazelle, ihre Haut iſt weiß wie Federgewölk, ihr Mund ſüß und klein wie ein Liebeswort, und die ſchma¬ len Lippen bebten, als ſpräche ſie einen beflügelten Vers in die Lüfte. Ich ſprang zu ihr, ſtürzte zu ihren Fü¬ ßen, bedeckte mit Küſſen die kleine Hand, weinte vor Liebe, umfaßte ihre Knie und drückte meinen Kopf dar¬ an. Ich weiß nicht wie es weiter geſchah, ihre Hand fühlt' ich an meiner Wange, ſie lag bald an mei¬
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aus ihrem Zimmer und die Guitarre fragte ſchelmiſch,
ob ſie recht gekleidet gingen. Es war ein ſonniger Sonn¬
tagsmorgen, die Landleute gingen geputzt zur Kirche; ich
ſchaukelte mich auf den zauberhaften Reimen der Schö¬
pfung. Da ſchlüpft Amelie vor meinen Augen in den
Garten, ich hörte die Thür des Pavillons öffnen. Ich
ging, ich flog hinunter und ſah aus dem Gebüſch durch
die Fenſter des Gartenhauſes. Sie ſtand an einen
Pfeiler gelehnt, hielt ein Buch in der Hand, las ab¬
wechſelnd und ſah in den Himmel. Ich kannte den
Einband; es waren Ludovico Tieks Gedichte. Amelie
trug ein roſenrothes Kleid, ihre langen blonden Locken
fielen à l'enfant wie des Sonnengottes Strahlen auf
die Schulter, eine Lilie ſah mit unſchuldigem Auge aus
ihnen hervor. Die Prinzeſſin iſt ſchlank und leicht wie
eine Gazelle, ihre Haut iſt weiß wie Federgewölk, ihr
Mund ſüß und klein wie ein Liebeswort, und die ſchma¬
len Lippen bebten, als ſpräche ſie einen beflügelten Vers
in die Lüfte. Ich ſprang zu ihr, ſtürzte zu ihren Fü¬
ßen, bedeckte mit Küſſen die kleine Hand, weinte vor
Liebe, umfaßte ihre Knie und drückte meinen Kopf dar¬
an. Ich weiß nicht wie es weiter geſchah, ihre Hand
fühlt' ich an meiner Wange, ſie lag bald an mei¬
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/128>, abgerufen am 28.07.2024.
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