sündige, so geschieht's zum Theil mit auf Deine Rech¬ nung und das ist mein Trost. Erinnerst Du Dich noch jener Worte; wir saßen an der Promenade, ein Roue strich vorüber, an seinem Arm hing ein reizendes Mädchen. Der Mann sah glücklich in die grünen Baum¬ zweige, zwischen denen der Sonnenstrahl hin- und her¬ hüpfte und man sah es ihm an, wie sein ganzes We¬ sen auf solchen wollüstigen Sonnenstrahlen hinschaukelte, Freund Valerius, da nahmst Du das Wort und sprachst wie folgt: "Warum scheltet Ihr den Mann, es ist sehr möglich, daß er kein Scheltwort verdient. Die Natur ist überschwenglich reich, und doch sind die meisten Menschen arm -- es ist auch eine Sünde arm zu sein. Warum verschließt Ihr die tausend Thore des Genusses, die Ihr öffnen könnt. Es ist auch eine Tugend, über¬ schwenglich zu genießen. Versteht Ihr das ganze Trei¬ ben der Zeit, den Demokratismus, der immer höher und höher sein leuchtendes Haupt hebt? Statt tausend Menschen will er Millionen beglücken -- das ist sein Gegensatz zum Aristokratismus. Nehmt den Strahl dieses leuchtenden Kopfes in Euch auf, seht, hört und fühlt statt aus fünf Organen aus tausend und Ihr werdet glücklicher und somit tugendhafter sein. Nicht
ſündige, ſo geſchieht's zum Theil mit auf Deine Rech¬ nung und das iſt mein Troſt. Erinnerſt Du Dich noch jener Worte; wir ſaßen an der Promenade, ein Roué ſtrich vorüber, an ſeinem Arm hing ein reizendes Mädchen. Der Mann ſah glücklich in die grünen Baum¬ zweige, zwiſchen denen der Sonnenſtrahl hin- und her¬ hüpfte und man ſah es ihm an, wie ſein ganzes We¬ ſen auf ſolchen wollüſtigen Sonnenſtrahlen hinſchaukelte, Freund Valerius, da nahmſt Du das Wort und ſprachſt wie folgt: „Warum ſcheltet Ihr den Mann, es iſt ſehr möglich, daß er kein Scheltwort verdient. Die Natur iſt überſchwenglich reich, und doch ſind die meiſten Menſchen arm — es iſt auch eine Sünde arm zu ſein. Warum verſchließt Ihr die tauſend Thore des Genuſſes, die Ihr öffnen könnt. Es iſt auch eine Tugend, über¬ ſchwenglich zu genießen. Verſteht Ihr das ganze Trei¬ ben der Zeit, den Demokratismus, der immer höher und höher ſein leuchtendes Haupt hebt? Statt tauſend Menſchen will er Millionen beglücken — das iſt ſein Gegenſatz zum Ariſtokratismus. Nehmt den Strahl dieſes leuchtenden Kopfes in Euch auf, ſeht, hört und fühlt ſtatt aus fünf Organen aus tauſend und Ihr werdet glücklicher und ſomit tugendhafter ſein. Nicht
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ſündige, ſo geſchieht's zum Theil mit auf Deine Rech¬
nung und das iſt mein Troſt. Erinnerſt Du Dich
noch jener Worte; wir ſaßen an der Promenade, ein
Roué ſtrich vorüber, an ſeinem Arm hing ein reizendes
Mädchen. Der Mann ſah glücklich in die grünen Baum¬
zweige, zwiſchen denen der Sonnenſtrahl hin- und her¬
hüpfte und man ſah es ihm an, wie ſein ganzes We¬
ſen auf ſolchen wollüſtigen Sonnenſtrahlen hinſchaukelte,
Freund Valerius, da nahmſt Du das Wort und ſprachſt
wie folgt: „Warum ſcheltet Ihr den Mann, es iſt ſehr
möglich, daß er kein Scheltwort verdient. Die Natur
iſt überſchwenglich reich, und doch ſind die meiſten
Menſchen arm — es iſt auch eine Sünde arm zu ſein.
Warum verſchließt Ihr die tauſend Thore des Genuſſes,
die Ihr öffnen könnt. Es iſt auch eine Tugend, über¬
ſchwenglich zu genießen. Verſteht Ihr das ganze Trei¬
ben der Zeit, den Demokratismus, der immer höher
und höher ſein leuchtendes Haupt hebt? Statt tauſend
Menſchen will er Millionen beglücken — das iſt ſein
Gegenſatz zum Ariſtokratismus. Nehmt den Strahl
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/122>, abgerufen am 27.07.2024.
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