Mädchen. Sie ist die erste, der ich meine Liebe nach¬ trage wie ein Bettler dem hartherzigen Wanderer seine Bitte -- und sie ist's gerade, die mich verschmäht. Ist mein Leben verdorrt, mein Blut vertrocknet, mein Geist versumpft? Wo liegt jenes Etwas, jener uner¬ klärliche Hauch der Sympathie, der das verbindende Mit¬ tel ist zwischen den verschiedenartigsten Wesen, der sie zusammenzieht? Wo ist jene Elfenbrücke, wo sich des Mannes und Weibes Gedanken im Mondschein finden und mit einander buhlen, eh' Mann und Weib die klare Vorstellung davon haben, und die dann zurückhüp¬ fen in die Tiefen der Herzen, ihre nächtlichen Geschich¬ ten erzählen und die Liebe stiften wie ein Gedicht? O ihr Elfenpoeten Julias und Hyppolits, wo seid ihr!
Sieh, es ist soweit mit mir gekommen, daß ich klarer, sonnenheller Mensch dem Mondscheingeheimniß der sentimentalen Liebe nachspüre, daß ich ein blasser Romantiker werde; wo ich früher nichts als das offne Walten der besten Kräfte sah, die sich nach Naturgesetzen anziehen, da such' ich jetzt mysteriöse Sympathie. Es ist weit mit mir gekommen. Ich bin wie ein über¬ schwenglicher Mediziner; wenn seine Therapie nicht mehr ausreicht, da flüchtet er zu den sympathetischen Be¬
Mädchen. Sie iſt die erſte, der ich meine Liebe nach¬ trage wie ein Bettler dem hartherzigen Wanderer ſeine Bitte — und ſie iſt's gerade, die mich verſchmäht. Iſt mein Leben verdorrt, mein Blut vertrocknet, mein Geiſt verſumpft? Wo liegt jenes Etwas, jener uner¬ klärliche Hauch der Sympathie, der das verbindende Mit¬ tel iſt zwiſchen den verſchiedenartigſten Weſen, der ſie zuſammenzieht? Wo iſt jene Elfenbrücke, wo ſich des Mannes und Weibes Gedanken im Mondſchein finden und mit einander buhlen, eh' Mann und Weib die klare Vorſtellung davon haben, und die dann zurückhüp¬ fen in die Tiefen der Herzen, ihre nächtlichen Geſchich¬ ten erzählen und die Liebe ſtiften wie ein Gedicht? O ihr Elfenpoeten Julias und Hyppolits, wo ſeid ihr!
Sieh, es iſt ſoweit mit mir gekommen, daß ich klarer, ſonnenheller Menſch dem Mondſcheingeheimniß der ſentimentalen Liebe nachſpüre, daß ich ein blaſſer Romantiker werde; wo ich früher nichts als das offne Walten der beſten Kräfte ſah, die ſich nach Naturgeſetzen anziehen, da ſuch' ich jetzt myſteriöſe Sympathie. Es iſt weit mit mir gekommen. Ich bin wie ein über¬ ſchwenglicher Mediziner; wenn ſeine Therapie nicht mehr ausreicht, da flüchtet er zu den ſympathetiſchen Be¬
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Mädchen. Sie iſt die erſte, der ich meine Liebe nach¬
trage wie ein Bettler dem hartherzigen Wanderer ſeine
Bitte — und ſie iſt's gerade, die mich verſchmäht.
Iſt mein Leben verdorrt, mein Blut vertrocknet, mein
Geiſt verſumpft? Wo liegt jenes Etwas, jener uner¬
klärliche Hauch der Sympathie, der das verbindende Mit¬
tel iſt zwiſchen den verſchiedenartigſten Weſen, der ſie
zuſammenzieht? Wo iſt jene Elfenbrücke, wo ſich des
Mannes und Weibes Gedanken im Mondſchein finden
und mit einander buhlen, eh' Mann und Weib die
klare Vorſtellung davon haben, und die dann zurückhüp¬
fen in die Tiefen der Herzen, ihre nächtlichen Geſchich¬
ten erzählen und die Liebe ſtiften wie ein Gedicht? O
ihr Elfenpoeten Julias und Hyppolits, wo ſeid ihr!
Sieh, es iſt ſoweit mit mir gekommen, daß ich
klarer, ſonnenheller Menſch dem Mondſcheingeheimniß
der ſentimentalen Liebe nachſpüre, daß ich ein blaſſer
Romantiker werde; wo ich früher nichts als das offne
Walten der beſten Kräfte ſah, die ſich nach Naturgeſetzen
anziehen, da ſuch' ich jetzt myſteriöſe Sympathie. Es
iſt weit mit mir gekommen. Ich bin wie ein über¬
ſchwenglicher Mediziner; wenn ſeine Therapie nicht mehr
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/105>, abgerufen am 27.07.2024.
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