Hinter dem Hause indeß hatte ihm das gutmüthige För¬ sterröschen zum Abend um neun noch ein Rendezvous im Walde versprochen, und als er auf dem Rückwege bei der Kirche vorbeigekommen, hatte ihm Juditha, des Pfarrers Töchterlein, einen Abschied Abends um elf un¬ ter dem Sturmdach der Sakristei zugesagt. Ich mußte über unsern kleinen Detailhändler in der Liebe herzlich lachen. Wenn übrigens der kleine Aff' nicht wirklich der Sohn eines Prinzen ist, so glaubt er doch gewiß bald selbst daran -- aus lauter Poesie. Es ist Alles an ihm Duft, Lüge, Traum, daß er am wenigsten dar¬ über Auskunft geben kann, was von seinen Verhält¬ nissen richtig und wahr ist. Ich glaube ihm nicht ei¬ nen Vorgang, den er mir erzählt; deshalb klag' ich sei¬ nen lügenhaften Willen nicht an, er weiß es nicht bes¬ ser. Jeden Vorfall sieht er mit tausend dichterischen Augen an, er kann nicht dafür, daß er unendlich viel Dinge zu viel sieht.. Er hat nicht eine Ader vom Hi¬ storiker und ein paar Eimer Bluts zuviel vom Poeten.
Es ist lächerlich, was sich die Leute für Mühe ge¬ ben hinter das prinzliche Incognito zu kommen, selbst der Graf verleugnet seinen anticipirenden historischen Cha¬ rakter und interessirt sich sehr dafür. William ist offen¬
Hinter dem Hauſe indeß hatte ihm das gutmüthige För¬ ſterröschen zum Abend um neun noch ein Rendezvous im Walde verſprochen, und als er auf dem Rückwege bei der Kirche vorbeigekommen, hatte ihm Juditha, des Pfarrers Töchterlein, einen Abſchied Abends um elf un¬ ter dem Sturmdach der Sakriſtei zugeſagt. Ich mußte über unſern kleinen Detailhändler in der Liebe herzlich lachen. Wenn übrigens der kleine Aff' nicht wirklich der Sohn eines Prinzen iſt, ſo glaubt er doch gewiß bald ſelbſt daran — aus lauter Poeſie. Es iſt Alles an ihm Duft, Lüge, Traum, daß er am wenigſten dar¬ über Auskunft geben kann, was von ſeinen Verhält¬ niſſen richtig und wahr iſt. Ich glaube ihm nicht ei¬ nen Vorgang, den er mir erzählt; deshalb klag' ich ſei¬ nen lügenhaften Willen nicht an, er weiß es nicht beſ¬ ſer. Jeden Vorfall ſieht er mit tauſend dichteriſchen Augen an, er kann nicht dafür, daß er unendlich viel Dinge zu viel ſieht.. Er hat nicht eine Ader vom Hi¬ ſtoriker und ein paar Eimer Bluts zuviel vom Poeten.
Es iſt lächerlich, was ſich die Leute für Mühe ge¬ ben hinter das prinzliche Incognito zu kommen, ſelbſt der Graf verleugnet ſeinen anticipirenden hiſtoriſchen Cha¬ rakter und intereſſirt ſich ſehr dafür. William iſt offen¬
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Hinter dem Hauſe indeß hatte ihm das gutmüthige För¬
ſterröschen zum Abend um neun noch ein Rendezvous
im Walde verſprochen, und als er auf dem Rückwege
bei der Kirche vorbeigekommen, hatte ihm Juditha, des
Pfarrers Töchterlein, einen Abſchied Abends um elf un¬
ter dem Sturmdach der Sakriſtei zugeſagt. Ich mußte
über unſern kleinen Detailhändler in der Liebe herzlich
lachen. Wenn übrigens der kleine Aff' nicht wirklich
der Sohn eines Prinzen iſt, ſo glaubt er doch gewiß
bald ſelbſt daran — aus lauter Poeſie. Es iſt Alles
an ihm Duft, Lüge, Traum, daß er am wenigſten dar¬
über Auskunft geben kann, was von ſeinen Verhält¬
niſſen richtig und wahr iſt. Ich glaube ihm nicht ei¬
nen Vorgang, den er mir erzählt; deshalb klag' ich ſei¬
nen lügenhaften Willen nicht an, er weiß es nicht beſ¬
ſer. Jeden Vorfall ſieht er mit tauſend dichteriſchen
Augen an, er kann nicht dafür, daß er unendlich viel
Dinge zu viel ſieht.. Er hat nicht eine Ader vom Hi¬
ſtoriker und ein paar Eimer Bluts zuviel vom Poeten.
Es iſt lächerlich, was ſich die Leute für Mühe ge¬
ben hinter das prinzliche Incognito zu kommen, ſelbſt
der Graf verleugnet ſeinen anticipirenden hiſtoriſchen Cha¬
rakter und intereſſirt ſich ſehr dafür. William iſt offen¬
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/102>, abgerufen am 16.02.2025.
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