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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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behalten, aber das Ansehen und die Macht verloren;
Dichter und Publikum sind lachend davon gegangen und
der Held des Romans, der passive, steht in den Mantel
gehüllt tief in der Nacht vor des Mädchens Haus und
schaut grollend und sehnsüchtig nach den Fenstern. Ja
Freund, die Neigungen des Menschen sehen immer an¬
fänglich wie kleine harmlose Mädchen aus, bei denen
man einen Augenblick scherzend stehen bleibt, mit denen
man spielt; und unter den Spielen wachsen sie wun¬
derbar schnell in die Höhe und sie werden wunderbar
schön, und das kleine Händchen ist eine weiche warme
Hand geworden, die uns mit wunderbarem Zauber fest¬
hält. Dies geisterartige Wachsen der Neigung hätte et¬
was Unheimliches, wären nicht eben Blut und Wärme
ihre Waffen, die da aufreizen, statt abzuschrecken.

Schreibe mir, wie es Dir ergeht. Rathschläge
sind lächerlich; es sind friedliche Landesgesetze für eine
eben vom Feinde eroberte Stadt, die unter dem Mar¬
tialgesetz seufzt, -- ich gebe Dir keine, Du kannst keine
brauchen.

Leopold schwärmte seit längerer Zeit hier auf Grün¬
schloß, er hat den William und mich hieher gebracht.
Ich hielt es für nöthig, die Vorhänge meiner Einsam¬

behalten, aber das Anſehen und die Macht verloren;
Dichter und Publikum ſind lachend davon gegangen und
der Held des Romans, der paſſive, ſteht in den Mantel
gehüllt tief in der Nacht vor des Mädchens Haus und
ſchaut grollend und ſehnſüchtig nach den Fenſtern. Ja
Freund, die Neigungen des Menſchen ſehen immer an¬
fänglich wie kleine harmloſe Mädchen aus, bei denen
man einen Augenblick ſcherzend ſtehen bleibt, mit denen
man ſpielt; und unter den Spielen wachſen ſie wun¬
derbar ſchnell in die Höhe und ſie werden wunderbar
ſchön, und das kleine Händchen iſt eine weiche warme
Hand geworden, die uns mit wunderbarem Zauber feſt¬
hält. Dies geiſterartige Wachſen der Neigung hätte et¬
was Unheimliches, wären nicht eben Blut und Wärme
ihre Waffen, die da aufreizen, ſtatt abzuſchrecken.

Schreibe mir, wie es Dir ergeht. Rathſchläge
ſind lächerlich; es ſind friedliche Landesgeſetze für eine
eben vom Feinde eroberte Stadt, die unter dem Mar¬
tialgeſetz ſeufzt, — ich gebe Dir keine, Du kannſt keine
brauchen.

Leopold ſchwärmte ſeit längerer Zeit hier auf Grün¬
ſchloß, er hat den William und mich hieher gebracht.
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[53/0063] behalten, aber das Anſehen und die Macht verloren; Dichter und Publikum ſind lachend davon gegangen und der Held des Romans, der paſſive, ſteht in den Mantel gehüllt tief in der Nacht vor des Mädchens Haus und ſchaut grollend und ſehnſüchtig nach den Fenſtern. Ja Freund, die Neigungen des Menſchen ſehen immer an¬ fänglich wie kleine harmloſe Mädchen aus, bei denen man einen Augenblick ſcherzend ſtehen bleibt, mit denen man ſpielt; und unter den Spielen wachſen ſie wun¬ derbar ſchnell in die Höhe und ſie werden wunderbar ſchön, und das kleine Händchen iſt eine weiche warme Hand geworden, die uns mit wunderbarem Zauber feſt¬ hält. Dies geiſterartige Wachſen der Neigung hätte et¬ was Unheimliches, wären nicht eben Blut und Wärme ihre Waffen, die da aufreizen, ſtatt abzuſchrecken. Schreibe mir, wie es Dir ergeht. Rathſchläge ſind lächerlich; es ſind friedliche Landesgeſetze für eine eben vom Feinde eroberte Stadt, die unter dem Mar¬ tialgeſetz ſeufzt, — ich gebe Dir keine, Du kannſt keine brauchen. Leopold ſchwärmte ſeit längerer Zeit hier auf Grün¬ ſchloß, er hat den William und mich hieher gebracht. Ich hielt es für nöthig, die Vorhänge meiner Einſam¬

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/63>, abgerufen am 27.11.2024.